Die Recruiting-Welt hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt, und Personalentscheider, Recruiter sowie Arbeitssuchende mussten sich neu orientieren.
Als ich 2008 für einen IT-Dienstleister im Recruiting tätig war, habe ich mit drei großen Jobbörsen zusammengearbeitet und konnte mit Erfolg viele IT-Fachkräfte finden und meinen Kunden vorschlagen. Heute sieht das anders aus: Es gibt nicht nur über 1.000 Jobbörsen allein in Deutschland, sondern auch unzählige andere Kanäle, wie Apps zum Swipen, Kampagnen in sozialen Netzwerken, Jobangebote über Nachrichtendienste und vieles mehr. Aber warum ist es so schwer, über diese Kanäle erfolgreich zu rekrutieren?
Eigentlich ist das Ganze ganz einfach zu erklären: „Kandidatenorientiertes Recruiting!“ Doch lass mich das etwas genauer ausführen, damit du mein Erfolgsrezept für ein erfolgreiches Recruiting verstehst und in deinen Prozess integrieren kannst.
In den gängigen Jobbörsen wie StepMonster kann man sich mittlerweile registrieren und Lebensläufe hochladen, um schneller und mit wenig Aufwand sein Interesse zu bekunden. Meine erste Bewerbung vor 35 Jahren habe ich noch handschriftlich bzw. mit der Schreibmaschine individuell geschrieben, inklusive eines Anschreibens, da man seinen Lebenslauf ja nicht einfach per Post versenden konnte. Dieser Prozess hat damals oft lange gedauert, da ich noch nicht mit 10 Fingern schreiben konnte. Wenn man sich im letzten Absatz vertippt hat oder den Namen des Ansprechpartners falsch schrieb, musste man von vorne beginnen. Heute kann man sein Interesse in Millisekunden bekunden und muss sich dabei nicht einmal schlecht fühlen.
Da ist zum Beispiel Truffls, eine Marke der Funke Media Group. Als Truffls 2015 auf den Markt kam, war das eine Revolution. Ich kann mich glücklich schätzen, ein Teil dieser Erfolgsgeschichte gewesen zu sein, denn die Gründer verstanden schon damals, dass Recruiting schnell und einfach für die Kandidaten sein muss. Viele kennen Truffls unter dem Claim „Tinder für Jobs“, denn der neue Traumjob ist nur einen Fingerwisch und einen Anruf entfernt. Der Vorteil für die Nutzer von Truffls ist, dass sie schnell, unkompliziert und übersichtlich Informationen zum Job und zur Firma erhalten und mit nur einem Fingerwisch ihr Interesse bekunden können. Doch solche Systeme und Apps haben auch Nachteile. Arbeitssuchende müssen im Vorfeld die App installieren und das Profil einrichten. Doch dann kann die Jobsuche schon bei der nächsten Fahrt in der U-Bahn oder im Wartezimmer beginnen. Der große Knackpunkt: Viele Personalentscheider meldeten sich erst Tage später bei den Interessenten, wenn überhaupt. Häufig wurde dann auch auf eine andere Kommunikationsplattform gewechselt und ein Lebenslauf angefordert. So haben sich die Gründer von Truffls das nicht vorgestellt, und das System konnte sich nur in einigen Berufsgruppen und Regionen durchsetzen.
2020 kam mit Jobilla ein finnisches Unternehmen nach Deutschland, das dem Recruiting-Markt neuen Input gab. Bis dahin hatten sich nur sehr wenige Firmen getraut, ihre Vakanzen in sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram zu veröffentlichen. Heute wird mein Insta-Feed von jeder zweiten bis dritten Jobofferte dominiert. Genau hier liegt jedoch die Problematik: Nicht jede, auch noch so gut gemeinte, Jobanzeige in sozialen Netzwerken führt zum Erfolg. Zahlreiche Faktoren sind entscheidend, um die passenden Kandidaten zu erreichen, und das beginnt schon damit, dass man sich im Vorfeld genau überlegen muss, wen man eigentlich sucht. Man muss eine Persona erstellen, um die richtige Zielgruppe zu erreichen. Wenn diese Informationen vorhanden sind, geht es weiter: Die Grafikabteilung muss ein Werbebild oder -video erstellen, das aus der Masse heraussticht und Neugierde weckt. Eine informativ gestaltete Landingpage, die die wichtigsten Informationen schnell und einfach zugänglich macht, ist ebenfalls entscheidend.
Der wichtigste Teil jedoch ist die Kontaktaufnahme: Die Informationen der Kandidaten sollten kreativ und prägnant erfragt werden, um sofort den Ton und die Atmosphäre des Unternehmens zu vermitteln. Ein Kunde von mir wollte beispielsweise, dass am Ende des Prozesses folgender Text erscheint: „Hol dir schon mal eine Tasse Kaffee, ich melde mich gleich bei dir!“ Das ist sportlich, aber wenn du die Kandidaten am selben Tag oder zumindest so schnell wie möglich kontaktierst, wirst du weitaus erfolgreicher sein.
Doch es gibt auch viele Fehler, die man macht, wenn man Kampagnen alleine erstellt oder mit einer Agentur zusammenarbeitet, die nur auf Umsatz aus ist. Im Vorfeld sollte dir bewusst sein, dass du über soziale Netzwerke nicht nur aktiv suchende Kandidaten ansprichst. Die Netzwerke werden auch von sogenannten „passiv suchenden Kandidaten“ genutzt, die eine interessante Zielgruppe darstellen, aber keine fertigen Bewerbungsunterlagen parat haben, da sie zwar offen für Angebote sind, jedoch nicht aktiv auf Jobsuche. Fragst du also in deiner Kampagne nach einem Lebenslauf und machst dies zum Pflichtfeld, verlierst du viele dieser Kandidaten.
Ein weiterer häufiger Fehler ist, zu lange auf die Reaktion von Bewerbern zu warten. In der Regel haben die meisten Kandidaten nach zwei Tagen schon vergessen, dass sie eine Kampagne gesehen und ihre Daten eingetragen haben. Auch das erste Gespräch sollte mit Fingerspitzengefühl geführt werden. Ich habe schon einige merkwürdige Telefonate mit Personalentscheidern erlebt, die mir entweder gleich andere Positionen anboten oder erst nach zwei Wochen anriefen und so taten, als könnte ich mich noch an jedes Detail der Kampagne erinnern.
Das Targeting, also das genaue Ansprechen der Zielgruppe, ist ebenfalls ein Erfolgsfaktor. Viele Agenturen verwenden hierfür eigene Standards, die selten die individuellen Wünsche der Kunden erfüllen. Ich hatte einmal einen Kunden, der gerne Marathonläufer oder Kandidaten mit Interesse an Gold- und Silberhandel ansprechen wollte. So spezifische Einstellungen sind zurzeit noch nicht möglich, könnten aber in Zukunft durch die Nutzung von KI zur gezielten Auswahl von Kandidaten beitragen.
Zu guter Letzt sind noch Jobofferten über Nachrichtendienste wie WhatsApp zu erwähnen. Einige Personaldienstleister haben in den letzten Wochen und Monaten damit experimentiert, allerdings ist die Umsetzung noch nicht ausgereift. So habe ich kürzlich mehrere Nachrichten erhalten und auf meine Fragen entweder standardisierte Antworten bekommen oder gar keine Rückmeldung erhalten. Gerade in Zeiten von SMS-Betrügereien ist meine erste Frage oft: „Woher haben Sie meine Telefonnummer?“ Meistens wissen die Recruiter das selbst nicht, was Vertrauen nicht unbedingt stärkt.
Wenn du dich also von der Masse abheben möchtest, dann bitte mit den richtigen Argumenten und einem Hauch von Verkaufsgeschick. Denn heute funktioniert die Personalsuche nur noch, wenn man auch das eigene Unternehmen und die Jobofferte gut verkaufen kann.