Vor ein paar Tagen ist mir eine Zeitungsüberschrift ins Auge gesprungen, die mich nicht mehr losgelassen hat. Es ging um psychologische Manipulation am Arbeitsplatz – ein Thema, das nicht nur zwischen Kollegen stattfindet, sondern oft genug auch von oben nach unten gespielt wird. Dabei handelt es sich nicht nur um harmlose Bürospielchen, sondern um gezielte Manipulation, die Karrieren zerstören, Teams vergiften und ganze Unternehmenskulturen ins Wanken bringen kann.
Was ist Gaslighting am Arbeitsplatz?
Gaslighting ist eine Form der psychologischen Manipulation, bei der das Opfer gezielt verunsichert wird, um dessen Selbstbewusstsein und Realitätswahrnehmung zu schwächen. Wer Gaslighting bewusst einsetzt, kann andere Menschen kontrollieren und sich selbst in eine vorteilhafte Position bringen – doch es zeigt auch, dass der Gaslighter oft selbst große Unsicherheiten oder ein Defizit in seiner eigenen Kompetenz hat.
Klingt abstrakt? Dann lass uns das Ganze an einem Beispiel durchspielen:
Vielleicht hattest du schon einmal einen Chef, der einen Satz gesagt hat wie: „Frau Müller will das so, sie weiß es nur noch nicht!“ Was hier auf den ersten Blick wie eine harmlose Aussage klingt, ist bereits der Beginn von Manipulation. Der Vorgesetzte verbreitet eine bestimmte Vorstellung oder Entscheidung und sorgt dafür, dass das gesamte Umfeld es als gegeben hinnimmt. Plötzlich hört Frau Müller von allen Seiten, dass dies der richtige Weg für sie sei – bis sie selbst beginnt, daran zu glauben. Doch in Wahrheit hat sie diese Entscheidung nie bewusst getroffen.
Ein weiteres Beispiel ist der „Sales Direktor“, der plötzlich als „Sales Diktator“ abgestempelt wird. Die Gerüchteküche läuft heiß, einzelne Kommentare werden aus dem Zusammenhang gerissen und gezielt gestreut. Nach und nach entwickelt sich ein negatives Bild, das den Betroffenen in die Defensive zwingt. Plötzlich muss er sich ständig rechtfertigen, obwohl er dieselbe Arbeit macht wie zuvor. Das Vertrauen in seine Führungsrolle schwindet, und das gesamte Team leidet unter der vergifteten Atmosphäre.
Gaslighting kann aber auch in die andere Richtung gehen: Manche Vorgesetzte halten Mitarbeiter bewusst klein, indem sie ihnen suggerieren, dass sie keine Ahnung haben und nur die „allwissende“ Führungskraft die richtigen Antworten kennt. Oft sind es genau jene, die durch Zufall oder interne Politik in ihre Position gekommen sind, die sich auf diese Weise schützen müssen. Sie sorgen dafür, dass ihr Team sie nicht infrage stellt – denn wer verunsichert ist, hinterfragt weniger.
Warum wird Gaslighting so oft übersehen?
Der tückische Punkt an psychologischer Manipulation ist, dass sie oft schleichend beginnt. Erst wird eine subtile Verunsicherung gesät, dann werden Mitstreiter ins Boot geholt, um die Manipulation von mehreren Seiten zu bestätigen. Wer sich wehrt oder die Manipulation anspricht, wird als überempfindlich oder gar paranoid hingestellt. Das macht es so schwierig, sich dagegen zur Wehr zu setzen.
Was viele nicht wissen: Seit 2015 kann Gaslighting am Arbeitsplatz rechtliche Konsequenzen haben, da es als Form von Mobbing gilt. Doch der Nachweis ist schwierig, weil sich die Täter oft in Grauzonen bewegen und ihre Aktionen im Nachhinein entweder leugnen oder so umdeuten, dass sie harmlos erscheinen.
Die Folgen von Gaslighting im Team
Diese Art der psychologischen Kriegsführung hat gravierende Auswirkungen:
- Misstrauen in Teams: Wenn Manipulation erst einmal Einzug hält, fangen Kollegen an, sich gegenseitig zu hinterfragen.
- Zerstörte Karrieren: Betroffene geraten unter ständigen Erklärungsdruck, müssen sich rechtfertigen und verlieren oft den beruflichen Rückenwind.
- Psychische Belastung: Dauerhafte Manipulation führt zu Stress, Angstzuständen und im schlimmsten Fall zu Burnout oder Depression.
Was kannst du tun, wenn du betroffen bist?
Die erste Regel: Lass dich nicht isolieren! Gaslighter arbeiten gezielt daran, ihre Opfer zu verunsichern und sie von ihrem Umfeld abzuschneiden.
- Setze klare Grenzen: Du kannst Manipulation respektvoll, aber bestimmt unterbinden – auch gegenüber Vorgesetzten.
- Rede mit anderen: Sprich mit Kollegen, Freunden oder einem Psychologen darüber. Oft hilft der Blick von außen, um die Situation klarer zu sehen.
- Suche Unterstützung: In größeren Unternehmen ist der Betriebsrat eine Anlaufstelle, in kleineren Firmen solltest du dich direkt an die Personalabteilung wenden.
Was können Unternehmen tun, um Gaslighting zu verhindern?
Führungskräfte und Personalentscheider können aktiv gegen psychologische Manipulation vorgehen, indem sie eine Unternehmenskultur fördern, die auf Offenheit und gegenseitigem Respekt basiert:
- Achtsamkeit im Alltag: Personalleiter und Manager sollten mit offenen Augen durchs Unternehmen gehen und sensibel für unterschwellige Konflikte sein.
- Gerüchte sofort adressieren: Wenn Falschinformationen oder gezielte Manipulation auffallen, sollten diese direkt in Meetings angesprochen und aus der Welt geschafft werden.
- Schnelle Konsequenzen ziehen: Wenn Gaslighting nachgewiesen wird, dürfen keine langen Diskussionen folgen – arbeitsrechtliche Konsequenzen sind hier notwendig.
- Externe Hilfe holen: Workshops und Schulungen können helfen, eine gesunde Kommunikationskultur zu etablieren und Mitarbeiter für das Thema psychologische Manipulation zu sensibilisieren.
Gaslighting durch den Chef? Ein strukturelles Problem!
In vielen Fällen kommt Gaslighting nicht von einzelnen Kollegen, sondern direkt von den Führungskräften. Das ist besonders problematisch, denn wer kann sich schon problemlos gegen seinen eigenen Chef wehren?
Oft sind es Führungskräfte, die in Positionen gelandet sind, für die sie weder die Erfahrung noch das nötige Fingerspitzengefühl haben. Statt sich auf ihr Team zu verlassen, sehen sie kompetente Mitarbeiter als Bedrohung und versuchen, diese kleinzuhalten. Hier liegt das Problem oft schon in der Beförderungspraxis: Nicht jeder Top-Seller ist automatisch eine gute Führungskraft. Umgekehrt kann jemand, der nicht der beste Fachmann ist, aber mit Menschenführung umgehen kann, das Team zum Erfolg führen.
Fazit: Gemeinsam gegen Manipulation
Gaslighting am Arbeitsplatz nimmt zu und kann immense psychische und berufliche Folgen haben. Umso wichtiger ist es, Manipulation aktiv zu erkennen und dagegen vorzugehen. Jeder Einzelne kann seinen Beitrag leisten, indem er sich nicht verunsichern lässt, Manipulation anspricht und Unterstützung sucht. Gleichzeitig liegt es in der Verantwortung von Unternehmen und Personalverantwortlichen, eine Umgebung zu schaffen, in der psychologische Kriegsführung keinen Platz hat. Denn am Ende profitieren alle von einer offenen, ehrlichen und respektvollen Unternehmenskultur.