Der Wandel der Bewerbung – oder: Wie hat sich das Bewerben in den letzten 30 Jahren verändert?


„Früher war alles besser!“ – kennst Du diesen Satz auch? Ich habe ihn als Jugendlicher oft gehört und dachte immer: Das muss ja eine Gaudi gewesen sein damals. Heute ertappe ich mich selbst dabei, wie ich immer öfter vergleiche, wie es vor 10, 20 oder gar 30 Jahren war.

Aber mal ehrlich: Würden wir uns nicht weiterentwickeln, dann würden wir heute noch Höhlenmalerei betreiben und unser Essen käme wirklich nur aus der Region – ganz ohne fancy Foodtrends oder Superfoods aus Südamerika.

Natürlich gab es früher Dinge, die vielleicht charmanter oder entschleunigter waren. Aber es gab eben auch vieles, was deutlich umständlicher war – besonders im Bewerbungsprozess. Und genau da liegt der Hund begraben: Während sich die Möglichkeiten rund ums Bewerben stark verändert haben, hängen manche HR-Abteilungen leider noch in der analogen Welt fest.

Meine erste Bewerbung – handgeschrieben mit Lineal und viel Herzblut

Meine erste Bewerbung? Die war für ein Schulpraktikum. Und ich wollte unbedingt auf ein Schiff – ein Praktikum bei einer Reederei in Hamburg. Also habe ich mich hingesetzt und eine perfekte, handschriftliche Bewerbung verfasst. Damals hieß es noch: „Streng dich an – die Personaler lesen deine Handschrift!“ Vielleicht hatte ich einfach eine saugute Handschrift oder einfach einen starken Willen – jedenfalls habe ich den Platz bekommen.

Warum handgeschrieben? Weil es schlicht keine Computer in jedem Haushalt gab. Schreibmaschinen waren auch eher Luxus. Damals war eine Bewerbung ein richtiges Kunstwerk – mit Linienspiegel, schönem Papier, passender Mappe. Und die Bewerbung ging dann entweder im Sonntagsanzug persönlich vorbei oder per Post – mit Briefmarke und allem Drum und Dran.

Und das Beste: Man bekam fast immer eine Rückmeldung. Entweder eine Einladung oder eine Absage – aber eben eine Antwort. Das war selbstverständlich.

Die ersten Bewerbungen per Computer – Teamwork mit Freunden und Versand per Postkutsche

Nur wenige Jahre später habe ich meine erste Bewerbung am Computer geschrieben. Klar, damals noch mit Unterstützung von Freunden – zu dritt haben wir gefeilt, bis alles passte. Und trotzdem: Auch diese Bewerbung wurde gedruckt, fein säuberlich eingetütet und per Post 500 Kilometer Richtung Mitteldeutschland geschickt.

Damals hat man sich richtig Gedanken gemacht – über jedes Detail. Wie klebt man die Briefmarke gerade auf? Welche Mappe sieht hochwertig aus? Und heute? Klick – fertig. Aber dazu gleich mehr.

Der digitale Start: Die ersten Online-Jobbörsen

1993 startete in den USA mit dem „Online Career Center“ die erste digitale Jobbörse. Zwei Jahre später kam „Jobs & Adverts“ (heute Jobpilot) auch nach Deutschland. Endlich konnte man sich online bewerben – und das nicht nur einmal im Monat, sondern gleich mehrfach am Tag, ohne Druckkosten, Porto oder Papierstau.

Und trotzdem: Die Bewerbungen waren noch recht klassisch, nur eben digital verschickt. Es war ein erster Schritt – aber eben noch kein Quantensprung.

2008 – Als ich selbst Recruiter wurde

Als ich 2008 ins Recruiting einstieg, war die Bewerbungswelt nicht wesentlich moderner als zehn Jahre zuvor. Zwar gab es mehr Jobbörsen, aber der Bewerbungsprozess blieb mühsam. Jedes Unternehmen hatte sein eigenes Online-Formular, das Du als Bewerber erst mal mühsam ausfüllen musstest – immer wieder dieselben Daten eintippen.

Und warum das alles? Weil sich viele Unternehmen einfach nicht die Mühe gemacht haben, ihre Prozesse zu überdenken. Es wurde weiterhin streng nach Lebenslauf, Skills und Formalitäten sortiert – und erst 2006 kam überhaupt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das die Diskriminierung im Bewerbungsprozess zumindest offiziell erschwerte.

Ich erinnere mich noch an ein Telefoninterview, bei dem ich als „Nicht-Native-Speaker“ einen englischsprachigen Muttersprachler identifizieren sollte – mit nur einer Frage. Mein damaliger Teamleiter meinte: „Frag einfach irgendwas – der redet dann schon los.“ So lief das Recruiting damals eben oft ab – weit entfernt von dem, was ich heute unter professioneller Personalgewinnung verstehe.

Auch ich war nicht immer besser…

Ja, ich geb’s zu: Auch ich habe mal ein Assessment-Center veranstaltet, um Bewerber vergleichbar zu machen – ohne mit ihnen vorher wirklich gesprochen zu haben. Das war 2012. Zwei Jahre später hätte ich das nicht mehr gemacht.

Denn 2017 kam die App „Truffls“ auf den Markt – und mit ihr das sogenannte „Tinder für Jobs“. Ein Swipe, ein Match – so einfach war bewerben plötzlich. Als Recruiter hattest Du Zugriff auf die hinterlegten Lebensläufe und konntest ganz easy den Erstkontakt herstellen.

Klingt super, oder? War es auch – nur waren viele Personaler noch nicht bereit für diese Schnelligkeit. Sie haben Bewerbungen ignoriert oder schlichtweg nicht reagiert. Genau da haben meine Kollegen und ich angesetzt: Wir wollten HR zeigen, wie modernes Recruiting geht – nämlich auf Augenhöhe und mit echtem Interesse am Menschen.

Kandidatenorientiertes Recruiting – warum Du heute umdenken solltest

Jetzt sagst Du vielleicht: „Ich will keine Bewerber, die sich in 30 Sekunden bewerben – die sollen sich Mühe geben!“ Klingt logisch – aber lass mich Dir ein Bild malen:

Stell Dir vor, Du bist eine hochqualifizierte Fachkraft. Du machst täglich Überstunden, pendelst 90 Minuten zur Arbeit, verbringst 14 Stunden außer Haus. Abends wartet die Familie, vielleicht willst Du noch Sport machen oder einfach mal durchatmen. Wann und wie willst Du jetzt noch eine perfekte Bewerbung schreiben?

Richtig – das wird schwierig.

Deshalb funktioniert das kandidatenzentrierte Recruiting so gut. Du sprichst die Menschen dort an, wo sie ohnehin gerade sind: online, auf Social Media, per Direktnachricht. Du machst es ihnen leicht, Interesse zu zeigen – und zeigst selbst echtes Interesse zurück.

One-Click-Bewerbung, digitales Headhunting & Targeting

Heute findest Du Stellenanzeigen als „One-Click-Bewerbung“ auf LinkedIn, Instagram oder sogar TikTok. Digitale Headhunter sprechen Kandidaten gezielt an – dort, wo sie aktiv sind. Das Ganze ist wie ein umgekehrtes Active Sourcing: Der Kandidat sieht eine passende Anzeige und sagt: „Ja, ich möchte kontaktiert werden.“

Das Geheimnis liegt im Targeting. Du musst wissen, wen Du suchst – und wo diese Menschen sich aufhalten. Ein Kunde wollte mal gezielt Marathonläufer ansprechen – kein Problem, das konnten wir einstellen. Recruiting heute bedeutet, strategisch zu denken: Wer ist mein Wunschkandidat, was bewegt ihn – und wie spreche ich ihn an?

Warum klassische Jobbörsen an Bedeutung verlieren

Du hast sicher bemerkt: Ich habe schon lange keine klassische Jobbörse mehr erwähnt. Warum? Weil ich glaube, dass sie langfristig an Relevanz verlieren. Es gibt heute über 1.000 Jobportale in Deutschland – zu viele, um noch zielgerichtet zu arbeiten.

Sowohl für Bewerber als auch für Arbeitgeber ist das unübersichtlich. Du findest Deine Zielgruppe oft effektiver über Social Recruiting und smarte Kampagnen als über generische Jobbörsen.

Wie ich arbeite – Recruiting neu gedacht

In meinen Projekten verzichte ich, wenn möglich, komplett auf Lebensläufe. Stattdessen analysiere ich die Profile auf LinkedIn, XING & Co., spreche intensiv mit Kandidaten und prüfe, ob sie wirklich zur Unternehmenskultur meines Kunden passen. Erst wenn ich überzeugt bin, stelle ich ein aussagekräftiges Profil zusammen.

Klar, das ist aufwändiger – aber eben auch nachhaltiger. Wer die besten Talente will, muss Zeit investieren. Olympisches Gold gewinnt man schließlich auch nicht im Vorbeigehen.

Mein Denkanstoß für Dich

Ich hoffe, ich habe Dich mit diesem kleinen Ausflug in die Geschichte der Bewerbung zum Nachdenken gebracht. Vielleicht erkennst Du an der einen oder anderen Stelle Parallelen zu Deinem eigenen Recruiting. Und vielleicht überlegst Du, wie Du Deine Prozesse modernisieren kannst – damit Du auch in Zukunft die besten Talente für Dich gewinnst.

Wenn Du dabei Unterstützung brauchst – melde Dich gern bei mir. Ich helfe Dir, Dein Recruiting auf die nächste Stufe zu bringen. Nicht von der Stange, sondern maßgeschneidert für Dein Unternehmen. Denn gute Mitarbeiter fallen nicht vom Himmel – aber mit dem richtigen Ansatz finden wir sie gemeinsam.