Vor fast zehn Jahren hat mich mal jemand gefragt, warum junge Leute lieber studieren, als eine Ausbildung zu machen. Und ich dachte: Gute Frage! Nächste Frage!
Heute – zehn Jahre, drei graue Haare und unzählige Diskussionen über den Fachkräftemangel später – treibt mich diese Frage mehr um denn je.
Denn mal ehrlich: Wie zeitgemäß ist die klassische Ausbildung eigentlich noch?
Wenn ich an meine eigene denke, dann war das so: Ich hatte zwei Nebenjobs, um überhaupt über die Runden zu kommen. In der Ausbildung! Später im Studium reichte dann ein Nebenjob aus – und ich konnte sogar ab und zu was essen, was mehr als 2 Euro kostet. Luxus pur!
Klar, das waren andere Zeiten. Aber irgendwie auch nicht. Denn heute sieht es nicht viel besser aus.
Letztes Jahr wollte ich einem motivierten jungen Menschen die Chance geben, Personaldienstleistungskaufmann zu werden. Eine noble Sache, dachte ich. Der Azubi auch – aber nur, bis wir über Geld gesprochen haben.
Seine Antwort: „Das ist mir zu wenig.“
Und ganz ehrlich? Ich konnte es ihm nicht mal übel nehmen.
Er hätte im ersten Lehrjahr ungefähr die Hälfte von dem verdient, was ein Quereinsteiger bei uns bekommt. Und das für drei Tage im Betrieb, eineinhalb Tage Berufsschule und noch einen halben Tag Berichtsheft und Lernen (was übrigens ungefähr so viel Spaß macht wie Steuererklärung mit Migräne).
Ja, ein Azubi ist ein Invest. Aber eben auch eine Riesenchance! Wer heute ausbildet, gewinnt im besten Fall einen loyalen, gut eingearbeiteten Mitarbeitenden, der die Prozesse kennt, lebt – und nicht gleich beim nächsten besseren Angebot abhaut.
Nur: Wer bildet denn noch aus? Und wie?
Ausbildung im Jahr 2025: Mehr Retro als Relevanz
Schauen wir mal rein in die Ausbildungsordnung. Ich nehme mal meinen Lieblingsberuf: Personaldienstleistungskaufleute.
Spoiler: Von Social Recruiting, Active Sourcing oder überhaupt irgendwas Digitalem fehlt da jede Spur. Der Lehrplan stammt offenbar aus einer Zeit, als TikTok noch ein Geräusch war.
Wie soll das bitte junge Menschen begeistern?
Die denken bei „Postkorb“ nicht an eine Lernmethode, sondern an ihr E-Mail-Postfach – das sie übrigens nicht mehr benutzen, weil alles über WhatsApp läuft.
Wir können nicht einerseits über den Fachkräftemangel jammern und andererseits Ausbildungsberufe so sexy gestalten wie eine Buchhaltungsschulung am Montagmorgen.
Wenn wir junge Leute wollen, müssen wir auch was bieten
Und ja, ich meine nicht nur Obstkörbe und den obligatorischen Azubi-Tag mit PowerPoint und Pizza. Ich meine echte Benefits:
- Azubi-Ticket für Bus, Bahn und Karriereleiter
- Flexible Arbeitszeiten (auch junge Leute haben Hobbys – und Netflix!)
- Moderne Technik (keiner will an einem Windows XP-Rechner seine Zukunft gestalten)
- Eine angemessene Vergütung (nicht reich, aber bitte auch nicht bettelarm)
Und das ist nicht nur Sache der Betriebe. Auch die Kammern dürfen ruhig mal ihr Regelwerk entstauben. Vielleicht braucht es auch ein Update vom Staat – denn ohne staatliche Förderung und Wertschätzung wird Ausbildung immer zweite Wahl bleiben.
Einmal Denken bitte: Wie kriegen wir wieder mehr Ausbildungsverträge?
Vielleicht fangen wir mal damit an, jungen Leuten zuzuhören. Was ist ihnen wichtig? Was wünschen sie sich von einem Arbeitgeber? Und warum entscheiden sich so viele für ein Studium, obwohl sie dann nachher doch im Callcenter oder im Großraumbüro landen?
Weil das Image von Ausbildung mies ist.
Weil Ausbildung klingt wie: Wenig Geld, viel Arbeit, kein Spaß.
Das muss sich ändern – und zwar von innen heraus. Ausbildungsmarketing ist Chefsache. Genau wie Unternehmenskultur.
Und vielleicht müssen wir auch ehrlich sein: Wir haben den Fachkräftemangel ein Stück weit selbst gemacht. Weil wir zu wenig ausgebildet, zu wenig verändert und zu viel gehofft haben, dass sich das schon irgendwie regelt.
Tut es aber nicht.
Also: Lasst uns was ändern. Die nächsten Fachkräfte stehen nicht vor der Tür – sie sitzen in der Schule, auf TikTok oder an der Supermarktkasse. Wir müssen sie nur wieder für Ausbildung begeistern.
Gedanken zum Mitnehmen
Der Fachkräftemangel ist kein Naturgesetz. Er ist die Quittung für Jahre der Ausbildungsvermeidung und Innovationsverweigerung.
Aber: Wer heute klug ausbildet, hat morgen keine Personalprobleme.
Also: Wen holst du dir als Nächstes ins Team?
Schreibe einen Kommentar