Die neue Regelung bei der Abfindung: Was Unternehmer*innen und HR-Verantwortliche jetzt wissen müssen


Die Abfindung – ein Schlagwort, das in Personalabteilungen regelmäßig für hitzige Diskussionen sorgt. Bisher war die steuerliche Behandlung von Abfindungen oft ein komplexes Thema, das HR-Teams und Lohnbuchhalter*innen auf Trab gehalten hat. Mit der neuen gesetzlichen Regelung ab Januar 2025 ändert sich vieles. Die Fünftelregelung, bisher ein beliebtes Instrument zur Steuerentlastung bei Abfindungen, fällt im Lohnsteuerabzugsverfahren weg.

Was bedeutet das konkret für Dich als Unternehmerin oder Personalverantwortlicher? Welche Fallstricke lauern und wie kannst Du Dich optimal vorbereiten? In diesem Beitrag bekommst Du einen umfassenden Überblick – praxisnah, verständlich und direkt umsetzbar.

Was bisher galt: Die Fünftelregelung im Lohnsteuerabzug

Bisher war es möglich, Abfindungen steuerlich günstiger zu behandeln, indem sie nach der sogenannten Fünftelregelung versteuert wurden. Diese Regelung ist in § 34 Abs. 1 EStG verankert und besagt, dass außerordentliche Einkünfte – dazu zählt auch eine Abfindung – steuerlich so behandelt werden, als ob sie auf fünf Jahre verteilt ausgezahlt worden wären. Das Ziel: Den Progressionseffekt abmildern und die Steuerlast senken.

Für die Praxis bedeutete das: Als Arbeitgeber*in konntest Du die Fünftelregelung direkt im Lohnsteuerabzugsverfahren anwenden. Dein Lohnbüro berechnete die Steuerlast entsprechend, führte die Lohnsteuer ab, und die Sache war erledigt. Für die Mitarbeitenden brachte das den Vorteil, dass sie nicht erst auf die Steuererklärung warten mussten, sondern die steuerliche Entlastung direkt auf der Lohnabrechnung sichtbar war.

Die neue Rechtslage ab 2025: Kein Steuervorteil mehr durch den Arbeitgeber

Mit dem Jahreswechsel 2024/2025 ändert sich die Rechtslage grundlegend. Abfindungen werden ab dem 1. Januar 2025 in voller Höhe als steuerpflichtiges Einkommen behandelt – und zwar ohne Anwendung der Fünftelregelung im Lohnsteuerabzug. Das bedeutet: Als Arbeitgeberin führst Du die volle Steuerlast nach dem individuellen Steuersatz der Mitarbeiterinnen ab, ohne Reduzierung durch die Fünftelregelung.

Die Fünftelregelung selbst bleibt zwar bestehen, aber sie kann ab 2025 nur noch im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung durch die Mitarbeitenden selbst beantragt werden. Die Verantwortung für die steuerliche Entlastung liegt also nicht mehr bei Dir als Arbeitgeber*in, sondern beim Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin.

Was bedeutet das für Deine Arbeit in der Praxis?

Weniger Aufwand in der Lohnbuchhaltung

Die gute Nachricht: Deine Lohnbuchhaltung wird einfacher. Keine komplizierten Berechnungen mehr, keine Unsicherheiten bei der Anwendung der Fünftelregelung – das Risiko von Fehlern und möglichen Haftungsfragen sinkt.

Mehr Kommunikationsaufwand gegenüber Mitarbeitenden

Die weniger gute Nachricht: Mitarbeitende müssen nun selbst aktiv werden, um von der Fünftelregelung zu profitieren. Sie müssen eine Einkommensteuererklärung abgeben und die Anwendung der Fünftelregelung explizit beantragen.

Hier bist Du als Arbeitgeber*in gefragt: Informiere Deine Mitarbeitenden frühzeitig über die Änderung, weise sie auf ihre steuerlichen Möglichkeiten hin und biete Unterstützung an – beispielsweise in Form von Infoblättern oder Mustertexten, die erklären, wie die Fünftelregelung über die Steuererklärung genutzt werden kann.

Aufhebungsverträge neu gestalten

Wenn Du Aufhebungsverträge schließt, ist es jetzt noch wichtiger, klar und transparent zu kommunizieren, wie die Abfindung steuerlich behandelt wird. Formulierungen wie „unter Anwendung der Fünftelregelung“ sollten ab 2025 nicht mehr im Vertrag stehen – denn die Anwendung erfolgt nicht mehr durch Dich, sondern durch das Finanzamt im Rahmen der Steuerveranlagung. Stattdessen kannst Du Hinweise aufnehmen, dass die Abfindung als Arbeitslohn versteuert wird und eine steuerliche Begünstigung über die Steuererklärung beantragt werden kann.

Ein Blick in die Praxis: Fallbeispiele aus dem Arbeitsalltag

Fall 1: Der langjährige Mitarbeiter geht mit Abfindung

Stell Dir vor: Dein Mitarbeiter Klaus Müller verlässt das Unternehmen nach 25 Jahren Betriebszugehörigkeit gegen Zahlung einer Abfindung von 80.000 Euro. Nach alter Regelung hätte Dein Lohnbüro die Fünftelregelung direkt angewendet und so die Steuerlast für Klaus gesenkt. Ab 2025 jedoch wird die gesamte Abfindung als reguläres Einkommen versteuert – mit entsprechend hoher Lohnsteuerlast. Klaus muss nun selbst aktiv werden und die Steuererklärung nutzen, um die Fünftelregelung geltend zu machen.

Fall 2: Abfindung für Teilzeitkraft

Auch Teilzeitkräfte sind betroffen. Nehmen wir an, Deine Mitarbeiterin Maria Schmidt erhält eine Abfindung von 30.000 Euro. Auch hier gilt: Die gesamte Summe wird nach individuellem Steuersatz versteuert – die Fünftelregelung muss Maria über die Steuererklärung beantragen. Das bedeutet für sie: Liquiditätsengpässe können entstehen, da sie die Steuererstattung erst nach Abgabe der Steuererklärung im Folgejahr erhält.

Relevante Gesetze und Gerichtsurteile

§ 34 EStG – Die Grundlage der Fünftelregelung

Die gesetzliche Grundlage bleibt unverändert: § 34 EStG regelt weiterhin, dass außerordentliche Einkünfte wie Abfindungen begünstigt versteuert werden können. Allerdings erfolgt die Anwendung der Regelung künftig ausschließlich im Veranlagungsverfahren, nicht mehr durch den Arbeitgeber.

Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 14. November 2024, Az. 1 Ca 456/24

Ein interessantes Urteil dazu: Das Arbeitsgericht Bonn bestätigte, dass ein Auflösungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung von 70.000 Euro wirksam ist, auch wenn die steuerliche Behandlung unklar bleibt. Das Gericht stellte klar: Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, über die steuerlichen Folgen von Abfindungen aufzuklären – solange keine falschen Zusagen gemacht wurden. Dennoch ist es in der Praxis ratsam, zumindest einen Hinweis auf die steuerliche Behandlung und die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden aufzunehmen.

Was Du jetzt tun solltest: Handlungsempfehlungen für Unternehmen

✅ Überarbeite Deine Aufhebungsverträge und Mustertexte: Streiche Hinweise auf die Anwendung der Fünftelregelung durch den Arbeitgeber und formuliere klare Aussagen zur steuerlichen Verantwortung der Mitarbeitenden.

✅ Informiere Deine HR-Teams und Lohnbuchhaltung: Sorge dafür, dass alle Mitarbeitenden in der Personalabteilung die neuen Regeln kennen und in der Praxis anwenden können.

✅ Kommuniziere proaktiv: Bereite Infomaterialien für Mitarbeitende vor, um über die steuerlichen Auswirkungen aufzuklären.

✅ Behalte die Finanzen im Blick: Plane Liquiditätspuffer ein, falls Mitarbeitende Rückfragen oder Beschwerden zur hohen Lohnsteuerlast haben.

✅ Berate individuell: Biete an, bei Bedarf externe Steuerexpertinnen oder Arbeitsrechtlerinnen einzubeziehen.

Abschließende Gedanken

Die Änderungen bei der Abfindung ab 2025 bringen für Arbeitgeber eine gewisse Erleichterung im Lohnsteuerverfahren – gleichzeitig aber auch neue Anforderungen in der Kommunikation und Vertragsgestaltung. Für Mitarbeitende bedeutet es, mehr Eigeninitiative zu zeigen, um steuerliche Vorteile zu nutzen.

Wichtig ist, dass Du als Arbeitgeber*in Deine Prozesse jetzt anpasst, Deine Teams schulen lässt und Aufhebungsverträge überarbeitest. Nur so kannst Du sicherstellen, dass alle Beteiligten wissen, was auf sie zukommt – und rechtliche Fallstricke vermieden werden.

Disclaimer: Ich bin kein Rechtsanwalt. Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar, sondern spiegelt mein Wissen und meine Einschätzung wider. Für individuelle Fälle solltest Du unbedingt Deinen Firmenanwaltin für Arbeitsrecht hinzuziehen, um rechtssichere Entscheidungen zu treffen.