Alkohol am Arbeitsplatz ist ein sensibles Thema, das viele Arbeitgeber irgendwann betrifft – sei es durch einen akuten Vorfall oder durch den schleichenden Verdacht auf eine Alkoholabhängigkeit. Der richtige Umgang mit betroffenen Mitarbeitern erfordert Fingerspitzengefühl, Wissen über arbeitsrechtliche Grundlagen und eine klare Strategie.
In diesem Artikel erfährst du, wie du als Unternehmer oder Personalverantwortlicher rechtssicher und menschlich mit Alkoholproblemen am Arbeitsplatz umgehst, welche gesetzlichen Grundlagen gelten, welche Gerichtsurteile Orientierung bieten und wie du dabei sowohl die Unternehmensinteressen als auch die Fürsorgepflicht gegenüber deinen Mitarbeitern wahrnimmst.
Warum Alkohol am Arbeitsplatz ein ernstes Thema ist
Alkohol wirkt sich nicht nur auf die Gesundheit des Einzelnen aus, sondern beeinträchtigt auch die Sicherheit und Produktivität im Unternehmen. Wer unter Alkoholeinfluss arbeitet, gefährdet sich selbst, Kollegen und die Qualität der Arbeit. Studien zeigen, dass Alkohol am Arbeitsplatz mit höheren Fehlzeiten, mehr Arbeitsunfällen und einem deutlich schlechteren Betriebsklima verbunden ist.
Hinzu kommt: Arbeitgeber haben eine gesetzliche Verantwortung. Sie müssen für die Sicherheit am Arbeitsplatz sorgen (§ 618 BGB, § 3 ArbSchG) und dürfen gesundheitliche Risiken nicht einfach tolerieren.
Gesetzliche Grundlagen: Das musst du wissen
Mehrere gesetzliche Regelungen betreffen Alkohol am Arbeitsplatz direkt oder indirekt:
- § 618 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Mitarbeiter vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen.
- § 3 ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz): Arbeitgeber müssen Maßnahmen treffen, die die Sicherheit und den Gesundheitsschutz gewährleisten.
- § 241 Abs. 2 BGB: Beschäftigte sind zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers verpflichtet, also auch dazu, ihre Arbeitsfähigkeit nicht durch Alkohol zu beeinträchtigen.
- Betriebsverfassungsrecht: Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei Regelungen zu Alkohol am Arbeitsplatz (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 und 7 BetrVG).
Ein generelles Alkoholverbot kann zulässig sein, muss aber klar kommuniziert werden – etwa in einer Betriebsordnung oder im Arbeitsvertrag.
Fallbeispiele aus der Praxis
Fall 1: Der Monteur unter Alkoholeinfluss
Ein Monteur einer Elektrofirma erschien wiederholt alkoholisiert zur Arbeit. Nachdem mehrere Gespräche keine Veränderung brachten und der Mitarbeiter einmal während der Arbeit stürzte, sprach der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung aus. Das Arbeitsgericht bestätigte die Kündigung: Bei Gefährdung der Arbeitssicherheit ist eine sofortige Trennung auch ohne vorherige Abmahnung möglich (ArbG Hamburg, Urteil vom 23.11.2018, Az. 27 Ca 123/18).
Fall 2: Der Alkoholkranke Buchhalter
Ein langjähriger Buchhalter zeigte zunehmend Ausfallerscheinungen und wurde schließlich in eine stationäre Entgiftung aufgenommen. Nach seiner Rückkehr wollte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden. Das Landesarbeitsgericht Köln entschied jedoch, dass eine Kündigung ohne vorherige Behandlungsmöglichkeiten und Gespräche unzulässig war (LAG Köln, Urteil vom 07.05.2015, Az. 6 Sa 1624/14). Die Erkrankung an Alkoholismus wird hier als Behinderung im Sinne des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) angesehen.
Diese Beispiele zeigen: Der rechtliche Rahmen ist eng, und der Einzelfall entscheidend.
Alkoholismus als Krankheit – was bedeutet das rechtlich?
Alkoholabhängigkeit wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Krankheit anerkannt. Aus arbeitsrechtlicher Sicht hat das weitreichende Folgen:
- Krankheitsbedingte Fehlzeiten können nicht ohne Weiteres zu einer Kündigung führen.
- Kündigungen wegen Alkoholabhängigkeit sind nur unter bestimmten Bedingungen möglich: etwa wenn die negative Prognose besteht, dass der Mitarbeiter auch nach einer Therapie dauerhaft arbeitsunfähig bleibt.
- Arbeitgeber müssen, bevor sie eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen, versuchen, den Mitarbeiter zu unterstützen (z.B. Therapieangebote, betriebliches Eingliederungsmanagement).
Wichtig: Alkoholgenuss aus freien Stücken (z.B. Trinken während der Arbeit ohne Erkrankung) wird rechtlich anders bewertet als eine medizinisch anerkannte Alkoholabhängigkeit!
Der korrekte Umgang mit alkoholkranken Mitarbeitern
1. Prävention ist der beste Schutz
Unternehmer sollten von Anfang an klare Regeln schaffen:
- Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträge mit Alkoholverbot
- Aufklärungskampagnen über die Risiken von Alkoholmissbrauch
- Schulungen für Führungskräfte zum Erkennen von Anzeichen einer Sucht
2. Erkennen und richtig ansprechen
Alkoholprobleme zeigen sich häufig schleichend: Konzentrationsschwierigkeiten, häufige Unfälle, unangenehmer Körpergeruch oder auffällige Stimmungsschwankungen können Hinweise sein.
Gesprächsstrategie:
- Frühzeitiges, respektvolles Einzelgespräch suchen.
- Keine Vorwürfe, sondern konkrete Beobachtungen schildern.
- Hilfe anbieten (z.B. Kontakt zu Betriebsärzten, Suchtberatungsstellen).
Wichtig: Das erste Gespräch dient noch nicht der Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen!
3. Dokumentation ist unerlässlich
Alles, was auffällt oder besprochen wird, sollte schriftlich dokumentiert werden – selbstverständlich datenschutzkonform. Nur so lässt sich im Ernstfall belegen, dass der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachgekommen ist.
4. Stufenweise Eskalation
Wenn Gespräche und Angebote nichts bewirken, kann eine stufenweise arbeitsrechtliche Vorgehensweise sinnvoll sein:
- Ermahnung: Hinweis auf Pflichtverletzung
- Abmahnung: Ernsthafte arbeitsrechtliche Konsequenzen bei wiederholtem Fehlverhalten
- (Ordentliche) Kündigung: Wenn keine Besserung eintritt
Eine fristlose Kündigung ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich – etwa wenn durch Trunkenheit eine massive Gefährdung von Menschen oder schweren Schaden verursacht wurde.
Gerichtsurteile, die du kennen solltest
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2014 – 2 AZR 565/12
Eine krankheitsbedingte Kündigung wegen Alkoholabhängigkeit setzt voraus, dass eine negative Gesundheitsprognose besteht und keine Aussicht auf eine erfolgreiche Therapie besteht. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung in der Regel eine Therapie ermöglichen.
ArbG Berlin, Urteil vom 17.09.2019 – 34 Ca 5454/19
Ein Busfahrer, der betrunken zur Arbeit erschien, durfte fristlos gekündigt werden – die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit wog hier schwerer als eine mögliche Therapiechance.
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.03.2021 – 10 Sa 491/20
Ein Arbeitnehmer, der während einer Betriebsfeier massiv alkoholisiert randalierte, durfte gekündigt werden. Private Betriebsfeiern stehen nicht unter vollständigem Schutz; Pflichtverletzungen können auch hier arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Empfehlungen für Unternehmer und Personalverantwortliche
- Präventive Maßnahmen treffen: Klare Regeln und Aufklärung helfen, Probleme frühzeitig zu vermeiden.
- Sensibel bleiben: Alkoholismus ist eine Krankheit – sie erfordert Mitgefühl und professionelle Unterstützung.
- Rechtssicher handeln: Gespräche führen, Maßnahmen dokumentieren, individuelle Unterstützung anbieten.
- Therapie fördern: Kündigungen sollten wirklich der letzte Schritt sein – vorher sollten Therapieangebote geprüft und ermöglicht werden.
- Juristische Beratung einholen: Gerade in komplexen Fällen ist die Einbeziehung eines Fachanwalts für Arbeitsrecht ratsam.
Schlussgedanken: Verantwortung zeigen – mit Augenmaß handeln
Alkohol am Arbeitsplatz betrifft nicht nur einzelne Mitarbeiter, sondern immer auch das gesamte Unternehmen. Als Arbeitgeber oder Personalverantwortlicher hast du die Chance – und die Pflicht –, hier verantwortungsvoll zu handeln.
Es geht darum, Gefährdungen zu vermeiden, aber auch darum, Menschen nicht aufzugeben, sondern ihnen Wege aus der Abhängigkeit aufzuzeigen.
In der Balance zwischen Fürsorge und Unternehmensinteresse liegt der Schlüssel. Klare Regeln, empathische Gespräche und rechtssichere Verfahren helfen dir dabei, auch schwierige Situationen souverän zu meistern.
Rechtlicher Hinweis
Ich bin kein Rechtsanwalt. Die hier dargestellten Informationen beruhen auf meiner Erfahrung und intensiver Recherche. Sie stellen keine Rechtsberatung dar. In konkreten Fällen solltest du unbedingt deinen Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzuziehen, um die passende Strategie für dein Unternehmen zu entwickeln.