Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer ist es ein besonderer Schritt, wenn sie ihren Betrieb zum Ausbildungsbetrieb machen möchten. Es ist nicht nur eine Investition in die Zukunft des eigenen Unternehmens, sondern auch ein gesellschaftlicher Beitrag zur Fachkräftesicherung. Doch der Weg zur offiziellen Anerkennung als Ausbildungsbetrieb ist kein Selbstläufer. Rechte, Pflichten, gesetzliche Grundlagen – all das will bedacht sein.
In diesem Beitrag nehme ich dich mit auf eine praxisnahe Reise durch die wichtigsten rechtlichen Anforderungen und Fallstricke. Ich beleuchte, was es bedeutet, sich als Ausbildungsbetrieb listen zu lassen, welche Voraussetzungen du erfüllen musst und welche typischen Fehler vermeidbar sind. Dabei werfe ich auch einen Blick auf relevante Gerichtsurteile, die dir helfen können, die rechtliche Lage besser einzuschätzen.
1. Warum überhaupt Ausbildungsbetrieb werden?
Bevor wir ins Detail gehen, kurz zur Motivation: Warum lohnt es sich, überhaupt Ausbildungsbetrieb zu werden?
- Fachkräftemangel entgegenwirken – Wer selbst ausbildet, sichert sich qualifizierten Nachwuchs.
- Unternehmenskultur prägen – Auszubildende übernehmen Werte und Arbeitsweisen früh.
- Förderungen nutzen – Der Staat unterstützt Ausbildungsbetriebe z. B. durch Zuschüsse oder Prämien.
- Imagegewinn – Ausgezeichnete Ausbildungsbetriebe genießen ein hohes Ansehen.
Aber mit der Entscheidung kommen eben auch Verantwortungen.
2. Gesetzliche Grundlage: Was regelt das Berufsbildungsgesetz (BBiG)?
Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) ist das zentrale Regelwerk, wenn es um duale Berufsausbildung geht. Es regelt unter anderem:
- Die Zulassung von Ausbildungsbetrieben
- Die Inhalte und Ziele der Berufsausbildung (§ 1 BBiG)
- Die Eignung der Ausbilder (§ 28 BBiG)
- Die Eignung der Ausbildungsstätte (§ 27 BBiG)
- Das Ausbildungsverhältnis und Pflichten beider Seiten
Für dich als Unternehmer*in sind vor allem die §§ 27–33 BBiG von Bedeutung.
Die wichtigsten Voraussetzungen im Überblick:
Voraussetzung | Gesetzliche Grundlage | Erläuterung |
Fachliche und persönliche Eignung des Ausbilders | § 28 BBiG | Der Ausbilder muss über berufliche und pädagogische Eignung verfügen. |
Eignung der Ausbildungsstätte | § 27 BBiG | Der Betrieb muss geeignet sein, die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. |
Einhaltung der Ausbildungsordnung | § 5 BBiG | Ausbildung muss nach anerkanntem Ausbildungsberuf erfolgen. |
Ausbildungsvertrag | § 10 BBiG | Schriftlich mit Inhalten laut BBiG und Ausbildungsordnung. |
3. Wie wird man Ausbildungsbetrieb? – Der Weg zur Eintragung
Du möchtest dich offiziell als Ausbildungsbetrieb listen lassen? Dann läuft das in der Regel so ab:
Schritt 1: Kontakt zur zuständigen Kammer
Je nach Branche ist die zuständige Stelle in der Regel:
- Industrie- und Handelskammer (IHK)
- Handwerkskammer (HWK)
- Landwirtschaftskammer
- Andere berufsständische Kammern (z. B. Ärztekammer, Steuerberaterkammer)
Dort reichst du deine Unterlagen ein und beantragst die Eintragung als Ausbildungsbetrieb.
Schritt 2: Prüfung der Eignung
Die Kammer prüft, ob:
- Du einen geeigneten Ausbilder benennst (mit Ausbildereignung nach AEVO)
- Dein Betrieb räumlich, personell und organisatorisch in der Lage ist, auszubilden
- Der gewünschte Ausbildungsberuf in deinem Betrieb sinnvoll und vollständig vermittelt werden kann
Schritt 3: Eintragung und Aufnahme der Ausbildung
Nach positiver Prüfung wirst du als Ausbildungsbetrieb eingetragen und darfst nun Ausbildungsverhältnisse begründen.
4. Die Pflichten eines Ausbildungsbetriebs – Verantwortung mit Ansage
Mit der Anerkennung kommen klare Pflichten auf dich zu. Die wichtigsten sind:
a) Vermittlung der Ausbildungsinhalte
Du musst sicherstellen, dass dein Azubi alle im Ausbildungsrahmenplan vorgesehenen Inhalte tatsächlich erlernt – entweder bei dir im Betrieb oder durch überbetriebliche Maßnahmen.
b) Ausbilder stellen
Mindestens eine ausbildende Person muss über die Ausbildereignung nach AEVO verfügen – die sogenannte „Ausbildereignungsprüfung“.
Beispiel aus der Praxis:
In einem kleinen Handwerksbetrieb hat der Chef selbst keine AEVO-Prüfung, sein Vorarbeiter aber schon. Das reicht aus – wenn dieser Vorarbeiter auch tatsächlich die Ausbildung leitet.
c) Rechte des Auszubildenden wahren
Dazu gehört:
- Der Anspruch auf eine angemessene Vergütung
- Die Einhaltung der Arbeitszeit nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz (bei Minderjährigen)
- Urlaub laut Bundesurlaubsgesetz oder Tarifvertrag
- Schutz vor Diskriminierung (AGG)
5. Gerichtsurteile, die du kennen solltest
Urteil 1: AEVO-Pflicht ernst nehmen (VG München, Az. M 6 K 13.3415)
Ein Gastronomiebetrieb wurde von der IHK nicht als Ausbildungsbetrieb anerkannt, weil der Inhaber keine Ausbildereignung hatte – und auch keine Person benennen konnte, die diese vorweisen konnte. Das Verwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung der IHK.
Lehre daraus:
Die Ausbildereignungsprüfung ist kein „Nice-to-have“, sondern verpflichtend.
Urteil 2: Ungeeignete Ausbildungssituation – Kammer kann Zulassung entziehen (VG Hannover, Az. 6 A 4679/14)
In diesem Fall wurde einem Betrieb die Zulassung als Ausbildungsstätte entzogen, weil die Auszubildenden überwiegend für Hilfstätigkeiten (Kaffee kochen, Lager aufräumen) eingesetzt wurden und die Vermittlung der Ausbildungsinhalte nicht erkennbar war.
Lehre daraus:
Ein Ausbildungsbetrieb muss in der Lage und gewillt sein, echte Ausbildung zu bieten – keine billige Arbeitskraftbeschäftigung.
6. Was passiert, wenn man gegen die Pflichten verstößt?
Die Kammern führen regelmäßige Überprüfungen durch. Bei Verstößen drohen:
- Abmahnungen
- Verlust der Anerkennung als Ausbildungsbetrieb
- Bußgelder (bei groben Pflichtverstößen)
Besonders kritisch wird es, wenn du gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz oder das AGG verstößt. Hier können sogar zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen folgen.
7. Fördermöglichkeiten – Unterstützung für Ausbildungsbetriebe
Es gibt zahlreiche Programme, die dich als Ausbildungsbetrieb finanziell unterstützen:
- Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“
- Zuschüsse der Arbeitsagenturen (z. B. bei Ausbildung benachteiligter Jugendlicher)
- Förderung nach § 88 SGB III
Je nach Bundesland können auch spezifische Landesprogramme greifen.
8. Fallbeispiel aus dem echten Leben
Sabine M., Geschäftsführerin eines mittelständischen Logistikunternehmens, entschloss sich 2022, eigene Fachkräfte auszubilden. Sie kontaktierte die IHK, meldete zwei Mitarbeitende zur AEVO-Prüfung an und ließ den Ausbildungsberuf „Fachkraft für Lagerlogistik“ prüfen. Die IHK erkannte den Betrieb an.
Nach einem Jahr zeigte sich jedoch, dass die Ausbildungsqualität litt – der zuständige Ausbilder war oft krank, ein Ersatz nicht vorhanden. Die IHK wurde aktiv, sprach eine Verwarnung aus und forderte eine Nachqualifikation.
Was Sabine daraus lernte: Ausbildung braucht Verlässlichkeit und ein echtes Konzept – nicht nur guten Willen.
9. Was tun, wenn ich abgelehnt werde?
Sollte dein Antrag abgelehnt werden, bekommst du von der Kammer in der Regel eine Begründung. Häufige Gründe sind:
- Keine oder unzureichende Ausbildereignung
- Fehlende Ausstattung oder zu wenig Fachpersonal
- Ausbildungsberuf passt nicht zum Unternehmensprofil
Du kannst Widerspruch einlegen und ggf. nachbessern – oft lohnt es sich, das Gespräch mit der Kammer zu suchen.
10. Neue Entwicklungen und Ausblick
Mit Blick auf den wachsenden Fachkräftemangel gewinnen Ausbildungsbetriebe weiter an Bedeutung. Auch gesetzlich wird regelmäßig nachgeschärft. So wurde z. B. die digitale Berufsausbildung erweitert und neue Berufsprofile entwickelt.
Zudem wächst der politische Druck, Betriebe stärker in die Pflicht zu nehmen – es ist also gut möglich, dass es in Zukunft verbindlichere Regelungen zur Ausbildung geben wird, insbesondere in Branchen mit hoher Nachwuchsquote.
Mein Denkanstoß für dich
Auszubilden ist keine lästige Pflicht, sondern eine echte Chance – für dein Unternehmen, deine Branche und die Gesellschaft. Doch wie jede Investition braucht auch die Ausbildung ein solides Fundament: klare Regeln, verlässliche Strukturen und echtes Engagement. Wenn du bereit bist, diese Verantwortung zu übernehmen, bekommst du im Gegenzug motivierte junge Menschen, die bereit sind, mit dir zu wachsen.
Hinweis in eigener Sache
Ich bin kein Rechtsanwalt und dieser Beitrag ersetzt keine rechtliche Beratung. Die hier aufgeführten Informationen basieren auf meinem Wissen und meiner Erfahrung aus der Praxis. Wenn du konkrete rechtliche Fragen hast oder dir bei einem individuellen Fall unsicher bist, solltest du unbedingt deinen Firmenanwalt oder einen Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzuziehen.