In den letzten Jahren habe ich zunehmend festgestellt, dass viele Unternehmen zur Feier des Pride-Monats ihre Logos in Regenbogenfarben tauchen oder sich mit Aussagen brüsten, besonders divers aufgestellt zu sein. Doch dies darf nicht der Höhepunkt der Diversität in einem Unternehmen sein. Es geht nicht darum, sich einmal im Jahr sichtbar zu machen, sondern darum, Offenheit und Toleranz als langfristige, tief verankerte Werte zu leben, die jeden Tag gelebt werden. Nur durch kontinuierliche und konsequente Bemühungen wird wahre Diversität erreicht, und sie sollte in jede Entscheidung und jedes Handeln eines Unternehmens einfließen. In diesem Zusammenhang möchte ich nicht nur darauf eingehen, was Diversität für Unternehmen konkret bedeutet, sondern auch die Rolle der Frauen und ihrer Perspektiven verstärkt ins Licht rücken. In meinen vorherigen Beiträgen habe ich oft der besseren Lesbarkeit halber die männliche Form verwendet, doch heute liegt der Fokus ganz bewusst auf der weiblichen Sichtweise und ihren Erfahrungen im beruflichen Kontext.
Was bedeutet es, als Unternehmen divers aufgestellt zu sein?
Diversität in einem Unternehmen zu leben, bedeutet, allen Menschen offen und respektvoll gegenüberzutreten, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Sprache, Religion, Behinderung oder anderen persönlichen Merkmalen. Diese Grundwerte sind sogar in unserem Grundgesetz verankert: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ (Grundgesetz, Art. 3 Abs. 3).
Trotz dieser gesetzlichen Verankerung erlebe ich jedoch häufig, dass diese Werte in der Realität nicht ausreichend umgesetzt werden. Diversität wird in vielen Fällen lediglich als eine oberflächliche Aktion betrachtet, ohne dass sich die Unternehmensstruktur wirklich verändert. Für mich steht immer der Mensch im Vordergrund – nicht das, was „hinter ihm steckt“ oder welche Labels ihm von außen zugeschrieben werden. Unternehmen, die sich wirklich für Diversität einsetzen, gehen einen Schritt weiter: Sie schaffen ein Umfeld, das durch verschiedene Perspektiven, unterschiedliche Ansichten und Hintergründe bereichert wird. Dies fördert nicht nur Innovation, sondern auch eine starke, inklusive Gemeinschaft, in der sich jeder respektiert und wertgeschätzt fühlt.
Wie können Unternehmen Diversität aktiv fördern?
- Inklusion durch barrierefreie Arbeitsplätze Ein wichtiger Bestandteil der Förderung von Diversität ist die aktive Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Diese möchten genauso am Berufsleben teilnehmen wie alle anderen – und das ist möglich, wenn die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Barrierefreie Büros, Arbeitsplätze für Mitarbeitende mit Sehbehinderungen oder ergonomische Lösungen für Rollstuhlfahrerinnen sind nur einige Beispiele dafür, wie Unternehmen inklusiv handeln können. Solche Maßnahmen wirken sich nicht nur positiv auf die Mitarbeitermotivation aus, sondern stärken auch das Employer Branding. Wenn Unternehmen Rollstuhlrampen installieren, spezielle Software für sehbehinderte Mitarbeitende bereitstellen oder flexible Arbeitszeiten anbieten, zeigen sie, dass sie mehr als nur einen Profitmaximierungsansatz verfolgen. Sie setzen sich für die Menschlichkeit und das Wohl ihrer Mitarbeitenden ein. Diese Investitionen zahlen sich langfristig aus, da sie die Loyalität und Motivation der Mitarbeitenden steigern.
- Sprachliche Integration fördern In multikulturellen Teams ist eine gemeinsame Sprache unerlässlich. Ich habe in einem Unternehmen gearbeitet, in dem Englisch als Standardsprache eingeführt wurde – nicht nur in den offiziellen Bereichen, sondern sogar an der Kaffeemaschine. Diese Maßnahme förderte nicht nur die Integration der internationalen Mitarbeitenden, sondern ermöglichte auch den Austausch von Ideen und Perspektiven auf einer gemeinsamen Basis. Darüber hinaus erweitert die Nutzung von Englisch im Arbeitsalltag den Wortschatz der Mitarbeitenden, was sowohl beruflich als auch persönlich von Vorteil ist. Wenn Unternehmen zusätzlich Sprachkurse oder Tandem-Programme für Mitarbeitende aus verschiedenen Herkunftsländern anbieten, stärken sie nicht nur die Kommunikation innerhalb des Teams, sondern fördern auch das Zugehörigkeitsgefühl und das Verständnis füreinander.
- Religiöse Vielfalt respektieren Religionsfreiheit ist ein ebenso wichtiger Bestandteil von Diversität. Ein respektvoller Umgang mit den religiösen Überzeugungen der Mitarbeitenden ist essenziell, um ein harmonisches und respektvolles Arbeitsumfeld zu schaffen. Ein konkretes Beispiel: Während des Ramadan können Unternehmen Rückzugsorte für Gebete bereitstellen oder flexible Arbeitszeiten ermöglichen, um den spezifischen Bedürfnissen der muslimischen Mitarbeitenden gerecht zu werden. Solche Maßnahmen zeigen nicht nur Respekt, sondern auch die Bereitschaft, auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen einzugehen. Ich erinnere mich an eine Kollegin, die während des Ramadan früher nach Hause gehen durfte, um das Fastenbrechen mit ihrer Familie zu feiern. Diese kleine, aber bedeutende Geste hatte eine enorme Auswirkung auf ihre Arbeitszufriedenheit und ihre Loyalität gegenüber dem Unternehmen.
- Generationen verbinden Diversität bedeutet auch, verschiedene Altersgruppen in Teams zu vereinen und so voneinander zu lernen. Die Zusammenarbeit zwischen erfahrenen Mitarbeitenden und jüngeren Kolleginnen schafft Synergien und hilft dabei, Werte und Höflichkeiten zu bewahren, die in der Geschäftswelt oft geschätzt werden. Ein kleines Beispiel: Der Hinweis, während Videokonferenzen lieber aus einem Glas zu trinken, statt direkt aus der Flasche, fördert ein respektvolles und professionelles Auftreten. Ältere Kolleginnen bringen wertvolle Erfahrungen, eine besondere Ruhe und Besonnenheit in stressigen Situationen mit, während junge Mitarbeitende neue Ideen und eine frische Perspektive einbringen. Diese Kombination ist ein unschlagbares Team.
- LGBTQ+: Offenheit und Schutz fördern Ein weiterer zentraler Aspekt von Diversität ist die Unterstützung der LGBTQ+-Community. Leider gibt es immer noch viele Vorurteile und Diskriminierung, insbesondere gegenüber Transpersonen. In meiner Karriere habe ich mehrfach erlebt, wie qualifizierte Bewerberinnen aufgrund ihrer Geschlechtsangleichung abgelehnt oder am Arbeitsplatz diskriminiert wurden. Das ist nicht nur unethisch, sondern auch ein großer Verlust für das Unternehmen, da es potenzielle Talente und Perspektiven ausschließt. Ein positives Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung ist eine Recruiting-Kampagne, die ich 2023 für mein Sales-Team in Köln ins Leben rief. Dabei nutzte ich das Bild einer Drag-Queen, um zu zeigen, dass bei uns jede*r willkommen ist, unabhängig von Geschlecht, Orientierung oder Identität. Die Resonanz war überwältigend, und viele Bewerberinnen – selbst heterosexuelle – fühlten sich von der Offenheit und Authentizität dieser Kampagne angesprochen.
Wie profitieren Unternehmen von Diversität?
- Mitarbeitermotivation und Loyalität Menschen, die sich in ihrem Arbeitsumfeld akzeptiert und wertgeschätzt fühlen, bleiben loyaler und sind motivierter. Besonders Mitarbeitende, die Ausgrenzung erlebt haben, entwickeln häufig eine starke Bindung zu Unternehmen, die ihre Werte vertreten. Sie wissen, wie wichtig ein respektvoller und inklusiver Umgang im Berufsalltag ist.
- Innovationsfähigkeit Diversität bringt unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen mit sich. Diese Vielfalt fördert nicht nur die Kreativität, sondern auch die Fähigkeit, innovative Lösungen für komplexe Probleme zu finden. Verschiedene Sichtweisen tragen dazu bei, Herausforderungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und neue Ansätze zu entwickeln.
- Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt Unternehmen, die Diversität leben, ziehen ein breites Spektrum an Talenten an. Besonders die jüngeren Generationen legen großen Wert auf eine inklusive Unternehmenskultur und bevorzugen Arbeitgeber, die ihre Werte von Gleichberechtigung und Offenheit aktiv umsetzen.
- Image und Reputation Ein diversitätsfreundliches Image stärkt die Markenwahrnehmung und verbessert die Reputation des Unternehmens auf dem Markt. Authentisches Engagement für Vielfalt wird von Kundinnen, Partnerinnen und Mitarbeitenden gleichermaßen geschätzt und führt zu einer positiven Wahrnehmung der Marke.
- Netzwerke und neue Perspektiven Diversität eröffnet Unternehmen den Zugang zu neuen Netzwerken und Perspektiven. Mitarbeitende aus verschiedenen kulturellen Hintergründen bringen wertvolle Kontakte und Einblicke in neue Märkte mit, die ansonsten schwer zugänglich wären. Dies eröffnet neue Geschäftsmöglichkeiten und fördert das Wachstum des Unternehmens.
Mein persönliches Fazit: Diversität als ganzjähriges Engagement
Diversität ist weit mehr als ein Regenbogenlogo im Juni. Unternehmen, die Vielfalt aktiv fördern und leben, profitieren nicht nur von innovativen Ideen und einem breiten Erfahrungshorizont, sondern auch von loyalen Mitarbeitenden, die sich mit der Unternehmenskultur identifizieren. Ein authentisches Engagement für Diversität stärkt nicht nur die Unternehmenskultur, sondern auch das Image – und das an 365 Tagen im Jahr. Unternehmen, die Diversität konsequent leben, schaffen nicht nur ein besseres Arbeitsumfeld, sondern positionieren sich auch erfolgreich im Wettbewerb. Denn vielfältige Perspektiven sind der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg.