Die Arbeitswelt ist im Wandel. Projektarbeit, Remote-Teams und flexible Strukturen sind längst keine Randphänomene mehr – sie sind Realität. Immer mehr Unternehmen setzen daher auf Freelancer, um schnell, zielgerichtet und ohne langfristige Verpflichtungen Expertise ins Haus zu holen. Klingt erstmal nach einer Win-win-Situation. Doch wer als Unternehmer oder Personalverantwortlicher mit freien Mitarbeitenden arbeiten möchte, sollte gut informiert sein – rechtlich wie steuerlich.
In diesem Beitrag erfährst du:
- Was rechtlich bei der Zusammenarbeit mit Freelancern zu beachten ist
- Welche Fallstricke (z. B. Scheinselbstständigkeit) du unbedingt vermeiden solltest
- Welche steuerlichen Vorteile du von Freelancern hast – mit fundierten Zahlen
- Welche Gerichtsurteile und Gesetzestexte du kennen solltest
- Und am Ende: eine praktische Einordnung für deinen Betriebsalltag
Was ist eigentlich ein Freelancer?
Freelancer – oder freie Mitarbeitende – sind selbstständige Unternehmer*innen, die ihre Dienstleistungen projektbezogen und auf Honorarbasis anbieten. Sie sind in der Regel nicht weisungsgebunden, nicht in die Unternehmensstruktur eingebunden und tragen ihr unternehmerisches Risiko selbst.
Beispiele:
- Ein freiberuflicher IT-Consultant entwickelt eine Softwarelösung für dein Unternehmen
- Eine freie Texterin schreibt die Texte für deine neue Webseite
- Ein Projektmanager übernimmt temporär die Leitung eines Veränderungsprozesses
Wichtig: Freelancer sind keine Angestellten! Und genau hier beginnt das rechtliche Spannungsfeld.
Rechtliche Grundlagen: Wann ist jemand wirklich ein Freelancer?
Die zentrale Gefahr in der Zusammenarbeit mit Freelancern heißt: Scheinselbstständigkeit. Wenn ein freier Mitarbeitender faktisch wie ein Angestellter arbeitet – also z. B. feste Arbeitszeiten hat, deinen Anweisungen folgt, in deine Organisation eingebunden ist –, dann kann es sein, dass du dich im Bereich der Scheinselbstständigkeit bewegst. Das kann teuer werden!
Was sagt das Gesetz?
Im Sozialgesetzbuch IV, § 7 Abs. 1 SGB IV heißt es:
„Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“
Ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, beurteilt sich immer nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dabei zählen nicht nur schriftliche Verträge, sondern auch die tatsächliche Ausgestaltung.
Gerichtsurteile zur Scheinselbstständigkeit – und was wir daraus lernen können
Fall 1: Der „freie“ IT-Berater – doch sozialversicherungspflichtig
LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.04.2016 – L 8 R 739/14
Ein IT-Berater war über Jahre hinweg bei einem Unternehmen tätig, hatte feste Arbeitszeiten, nahm an Teammeetings teil und nutzte die IT-Infrastruktur des Unternehmens. Obwohl der Vertrag eine freie Mitarbeit auszeichnete, entschied das Gericht: abhängige Beschäftigung. Das Unternehmen musste Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen – über 50.000 Euro!
Lerneffekt: Die tatsächlichen Arbeitsbedingungen sind entscheidend – nicht der Vertrag.
Fall 2: Die „freie“ Grafikdesignerin – hier war alles korrekt
BSG, Urteil vom 31.03.2017 – B 12 R 7/15 R
Eine Grafikdesignerin arbeitete regelmäßig für einen Kunden, konnte aber selbst entscheiden, wann und wie sie ihre Arbeit erledigte. Keine Einbindung, keine Weisungen – alles lief auf Honorarbasis. Das BSG erkannte die Selbstständigkeit an.
Lerneffekt: Flexibilität, Eigenverantwortung und keine Einbindung = echtes Freelancer-Modell.
Checkliste: So vermeidest du Scheinselbstständigkeit
✅ Kein fester Arbeitsplatz im Unternehmen
✅ Keine festen Arbeitszeiten oder Anwesenheitspflicht
✅ Keine Nutzung von Unternehmens-E-Mail oder Intranet
✅ Keine Weisungen zur konkreten Ausführung der Tätigkeit
✅ Der Freelancer tritt auch gegenüber Dritten unternehmerisch auf
✅ Eigene Betriebshaftpflicht und Rechnungsstellung
✅ Mehrere Auftraggeber vorhanden
Wer hier sauber arbeitet, hat gute Chancen, einer Nachprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung standzuhalten.
Steuerliche Vorteile durch Freelancer – mit Zahlen!
Neben der Flexibilität bietet die Arbeit mit Freelancern auch klare steuerliche Vorteile – vor allem im Vergleich zur Festanstellung.
1. Keine Lohnnebenkosten
Bei Festangestellten zahlst du als Arbeitgeber:
- Sozialversicherungsbeiträge: ca. 20 % des Bruttogehalts
- Rentenversicherung: 9,3 %
- Krankenversicherung: 7,3 %
- Pflegeversicherung: 1,525 %
- Arbeitslosenversicherung: 1,2 %
- Berufsgenossenschaftsbeiträge
- Umlagen U1, U2, U3 (Entgeltfortzahlung, Mutterschutz, Insolvenzgeld)
- Lohnfortzahlung bei Krankheit und Urlaub
Bei Freelancern? Keine dieser Abgaben!
Beispielrechnung:
Position | Festangestellter | Freelancer |
Monatsvergütung | 5.000 € brutto | 5.000 € Honorar |
Arbeitgeberanteile (ca. 20 %) | 1.000 € | 0 € |
Zusatzkosten (Urlaub, Krank) | 500–800 € | 0 € |
Gesamtkosten | ca. 6.500–6.800 € | 5.000 € |
Unterm Strich sparst du schnell 1.500 € monatlich – oder mehr.
2. Betriebsausgaben statt Personalaufwand
Freelancer-Honorare gelten als Betriebsausgaben und sind damit voll steuerlich absetzbar – ohne komplexe Lohnbuchhaltung oder Meldepflichten.
Das bedeutet: Dein steuerpflichtiger Gewinn sinkt. Du zahlst weniger Einkommen- oder Körperschaftsteuer.
3. Keine Verpflichtungen bei Krankheit, Urlaub oder Kündigungsschutz
Du bezahlst nur die tatsächlich geleistete Arbeit. Es gibt keine Verpflichtungen zur Lohnfortzahlung oder zum Erstellen eines Kündigungsschutzverfahrens.
Gerade in Projektphasen oder Wachstumsphasen ist das ein enormer Vorteil für deine Liquiditätsplanung.
Fallbeispiel aus der Praxis
Ein mittelständisches Unternehmen aus dem Maschinenbau brauchte kurzfristig Unterstützung im Online-Marketing. Die Marketingverantwortliche schlug vor, eine Social-Media-Freelancerin für 6 Monate zu engagieren.
Die Rechnung sah so aus:
- Festangestellte (Vollzeit): 4.500 € brutto + ca. 1.200 € Lohnnebenkosten + 400 € Urlaub/Krank = 6.100 €
- Freelancerin: 4.800 € Honorar/Monat
Die Freelancerin arbeitete remote, hatte eigene Tools, eigene Projekte und war völlig frei in der Umsetzung – es gab kein Risiko der Scheinselbstständigkeit.
Am Ende sparte das Unternehmen über die Projektlaufzeit hinweg rund 7.800 € – bei vergleichbarer Leistung.
Was sagt das Finanzamt?
Das Finanzamt erkennt Honorare für Freelancer in der Regel problemlos als Betriebsausgaben an – wenn die Leistung dokumentiert, vertraglich vereinbart und wirtschaftlich nachvollziehbar ist.
Wichtig:
- Klare Verträge (Leistungsbeschreibung, keine Weisungsbindung)
- Rechnungen mit Steuernummer und Umsatzsteuer (sofern nicht Kleinunternehmerregelung greift)
- Dokumentation von Projektstatus, Ergebnissen und Kommunikation
Was ist mit Umsatzsteuer?
Freelancer, die umsatzsteuerpflichtig sind, weisen diese auf ihren Rechnungen aus – du kannst die Umsatzsteuer voll als Vorsteuer abziehen, sofern du vorsteuerabzugsberechtigt bist.
Ein Beispiel:
- Freelancer-Honorar: 4.000 € + 760 € USt = 4.760 €
- Du bekommst die 760 € als Vorsteuer zurück
Bei Kleinunternehmern entfällt dieser Effekt – hier gilt die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG). Achte auf den korrekten Vermerk auf der Rechnung.
Was ist mit der Künstlersozialkasse?
Wenn du regelmäßig künstlerische oder publizistische Leistungen von Freelancern einkaufst (z. B. Grafik, Text, PR), musst du unter Umständen Beiträge zur Künstlersozialkasse zahlen.
Satz 2025: 5,0 % des Honorars
Diese Pflicht trifft dich z. B. als Verwerter (Verlag, Agentur, Medienunternehmen) – aber nicht als klassisches Industrieunternehmen. Im Zweifel lohnt sich eine kurze Rücksprache mit dem Steuerberater.
Zusammengefasst: Dein Fahrplan für rechtssichere und steuerlich clevere Freelancer-Zusammenarbeit
Vorteile:
✅ Keine Sozialabgaben
✅ Geringere Fixkosten
✅ Hohe Flexibilität
✅ Klare Abgrenzung möglich
✅ Steuerlich voll absetzbar
Risiken:
⚠️ Scheinselbstständigkeit
⚠️ Pflicht zur Künstlersozialkasse bei bestimmten Tätigkeiten
⚠️ Kontrollrisiko durch Rentenversicherung und Finanzamt
Was du für deinen Alltag mitnehmen kannst
Die Zusammenarbeit mit Freelancern kann für Unternehmen ein echter strategischer Vorteil sein – sowohl organisatorisch als auch steuerlich. Du musst allerdings die rechtlichen Spielregeln kennen und anwenden. Wer sauber arbeitet, profitiert mehrfach: von Know-how auf Abruf, von reduzierten Lohnkosten und von steuerlichen Effekten.
Am Ende zählt vor allem eines: Wie transparent und professionell du die Beziehung gestaltest.
Wenn du Freelancer einsetzt, solltest du:
- Verträge schriftlich und individuell gestalten
- keine organisatorische Eingliederung riskieren
- Honorare als Betriebsausgabe erfassen
- regelmäßig mit deinem Steuerberater Rücksprache halten
Rechtlicher Hinweis
Ich bin kein Rechtsanwalt und dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar. Ich gebe hier mein Wissen und meine Erfahrung aus der Praxis weiter. Für die individuelle Bewertung deiner Situation solltest du immer einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt oder deinen Firmenanwalt hinzuziehen.