Kennen wir doch alle: Das Gespräch lief super, der Bewerber war charmant, kompetent – und hatte sogar denselben Hundenamen wie deiner. Und ehe man sich versieht, hört man sich selbst sagen: „Herzlichen Glückwunsch, Sie haben den Job!“ Zack. Gesagt ist gesagt. Und leider auch: rechtlich bindend. Ja, auch wenn’s „nur mündlich“ war.
Ich spreche da übrigens nicht nur als Personaler, sondern auch als Mensch. Auch mir ist das schon passiert – im Überschwang der Begeisterung habe ich in einem Interview spontan zugesagt. Es fühlte sich im Moment richtig an, aber schon auf dem Heimweg fragte mein Kopf: „Wirklich? So schnell?“ Genau da beginnt das Dilemma, das viele Führungskräfte kennen – und das oft unterschätzt wird.
Emotion schlägt Ratio – ein Klassiker im Recruiting
Die Realität in Vorstellungsgesprächen ist oft ein Wechselbad aus Fakten, Sympathie und Bauchgefühl. Du hast da jemanden vor dir sitzen, die Vita ist stimmig, der Mensch ist präsent, wach, sympathisch – irgendwie ein Match. Und plötzlich passiert es: Spontane Jobzusage im Affekt.
Ein klassischer Fall von emotionaler Kurzschlussreaktion, der – so ehrlich müssen wir sein – nicht nur bei uns, sondern auch bei vielen anderen Personalentscheidern passiert. Denn wer schon mal viele Vorstellungsgespräche geführt hat, weiß: Nicht immer folgt auf Begeisterung die beste Entscheidung. Manchmal folgt: Reue.
Der schöne Moment – und sein Preis
Dieses Gefühl kennen viele: Euphorie, Erleichterung, vielleicht sogar Stolz, endlich „den Richtigen“ gefunden zu haben. Aber dieser Moment kann teuer werden. Denn was viele nicht wissen – oder bewusst verdrängen: Auch eine mündliche Zusage gilt unter bestimmten Umständen bereits als bindend.
Praxisbeispiel:
Ein Unternehmen aus dem Maschinenbau hatte einem Kandidaten im Gespräch mündlich zugesagt. Am nächsten Tag kamen jedoch interne Bedenken auf: Der Fachbereich meldete, dass man die Stelle eventuell doch intern besetzen wolle. Der Kandidat kündigte noch am selben Abend bei seinem alten Arbeitgeber – und verklagte das Unternehmen auf Schadensersatz, nachdem er schriftlich die Rücknahme der Zusage bekam.
Ergebnis: Das Unternehmen musste Schadensersatz leisten, da das Gericht die mündliche Zusage als bindendes Vertragsangebot wertete. Der Ruf als Arbeitgeber: ramponiert. Die Stelle: weiterhin unbesetzt.
Die juristische Seite – was gilt als verbindlich?
Viele denken: „Solange nichts unterschrieben ist, ist nichts fix.“ Falsch gedacht.
Was sagt das Gesetz?
Laut § 145 ff. BGB kann ein mündliches Jobangebot als verbindliches Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags gewertet werden. Nimmt der Kandidat das Angebot im Gespräch oder kurz danach an, ist der Vertrag rechtlich wirksam – auch ohne Unterschrift.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschied z. B. im Jahr 2012 (Az. 10 Sa 245/12), dass eine mündliche Zusage im Bewerbungsgespräch unter bestimmten Umständen bereits als Arbeitsvertrag gilt, wenn beide Seiten sich einig sind.
Was heißt das für die Praxis?
- Wer im Gespräch sagt „Sie haben den Job“ oder „Ich freue mich, wenn Sie am 1. anfangen“, signalisiert Rechtsverbindlichkeit.
- Fehlt dann nur noch die Schriftform, kann das später als bloßer Formalakt gesehen werden.
- Ein Rückzieher kann nicht nur juristisch heikel werden, sondern auch menschlich – weil Vertrauen zerstört wird.
Warum „Wir melden uns bei dir“ nicht böse gemeint ist
Ich weiß: Viele Kandidat:innen bekommen bei diesem Satz Gänsehaut – und nicht die gute. Aber wenn man es ehrlich und transparent meint, ist diese Floskel oft besser als eine überstürzte Zusage.
Denn mal ehrlich: Wie oft sagst du im Supermarkt spontan „Ja“ zu einer Aktionsware, nur um zu Hause festzustellen, dass du mit zehn Packungen Dosenmais gar nichts anfangen kannst?
Was ist besser?
Statt einem vorschnellen „Ja“ lieber sagen:
- „Ich möchte unser Gespräch noch intern reflektieren.“
- „Ich melde mich in den nächsten Tagen verbindlich.“
- „Ihr Profil hat mich beeindruckt, ich bespreche das noch mit meinem Team.“
Wertschätzung heißt nicht Tempo. Sie heißt Aufmerksamkeit und Ernsthaftigkeit.
Persönliches Beispiel – Lektion gelernt
Ich wollte Bewerbern immer dieses eine Gefühl geben: „Ich bin gewollt.“ Und das ist auch wichtig. Aber ich habe gelernt, dass man das auch ohne direkte Zusage transportieren kann. Ein klarer, positiver Ausblick, kombiniert mit einem realistischen Zeitrahmen, wirkt oft professioneller als jede Bauchentscheidung.
Denn am Ende gilt: Zusage ist kein Wort für die emotionale Kurzschlussreaktion. Sie ist ein Versprechen – und die sollte man nur dann geben, wenn man sie auch halten kann.
Warum spontane Jobzusagen für Unternehmen riskant sind
Hier ist eine kleine Übersicht, warum man vorsichtig sein sollte – und wann eine klare, reflektierte Entscheidung Gold wert ist:
✅ Vorteile einer durchdachten Entscheidung:
- Höheres Commitment im Team
- Klarheit über Vertragsbedingungen
- Zeit für Background-Checks oder Referenzen
- Möglichkeit zum Vergleich mehrerer Kandidaten
- Professionelles Auftreten nach außen
❌ Nachteile einer vorschnellen Zusage:
- Juristische Risiken durch mündliche Bindung
- Rufschaden bei Rückzieher
- Fehlentscheidungen durch emotionale Übersteuerung
- Frust im Team („Warum wurde nicht intern besetzt?“)
- Unklare Rahmenbedingungen (z. B. Gehalt, Arbeitszeit)
Wording-Tipps für Vorstellungsgespräche
Wie man’s sagt, macht den Unterschied. Hier einige Sätze, die oft verwendet werden – und wie man sie besser formulieren kann:
Häufig gesagt | Besser gesagt |
„Sie haben den Job!“ | „Ich bin sehr angetan von Ihrem Profil. Ich bespreche intern und melde mich zeitnah.“ |
„Ich freu mich, Sie bald im Team zu haben.“ | „Das Gespräch war sehr wertvoll. Ich melde mich mit einer Entscheidung.“ |
„Ich denke, Sie passen perfekt.“ | „Ich sehe viele Anknüpfungspunkte und werde das mit meinen Kolleg:innen weiter prüfen.“ |
Tipp: Worte wie „prüfen“, „besprechen“, „abwägen“ sind neutraler als „entschieden“, „fix“, „vergeben“.
Tipps & Tricks: So triffst du bessere Einstellungsentscheidungen
- Schlaf mindestens eine Nacht darüber. Nimm Abstand zum Gespräch, um Klarheit zu gewinnen.
- Beziehe andere mit ein. Frag Kolleg:innen, ob sie das gleiche Gefühl hatten.
- Notiere gleich nach dem Gespräch Pro und Contra. Die frische Erinnerung ist Gold wert.
- Lass dir ein paar Tage Bedenkzeit. Das ist auch für den Kandidaten wertschätzend.
- Kläre vorab alle Rahmenbedingungen. Gehalt, Arbeitsort, Startdatum, Probezeit.
- Vermeide Absolutismen. Worte wie „sicher“, „fix“, „definitiv“ solltest du nur nach vollständiger Klarheit verwenden.
- Nutze Templates für Nachfass-E-Mails. Damit bleibst du professionell und wertschätzend.
Checkliste für Personalentscheider: So triffst du sichere Entscheidungen
Punkt | Erledigt |
Gesprächsnotizen direkt nach dem Interview angefertigt | |
Entscheidung mindestens 24h reflektiert | |
Rücksprache mit Fachbereich geführt | |
Rahmenbedingungen (z. B. Gehalt, Starttermin) schriftlich fixiert | |
Alternative Kandidat:innen berücksichtigt | |
Keine vorschnellen Zusagen getroffen | |
Klare, aber unverbindliche Kommunikation gewählt | |
Follow-up-E-Mail mit Ausblick verschickt | |
Bei Bedarf juristischen Rat eingeholt |
Zahlen, Daten, Fakten – wie verbreitet sind Schnellzusagen?
Ein Blick auf die Praxis:
- Laut einer Umfrage von StepStone (2022) gaben 37 % der Personalverantwortlichen an, schon einmal eine Jobzusage bereut zu haben.
- Jede 5. Zusage erfolgt laut Bitkom-Studie spontan im Gespräch, ohne Rücksprache mit anderen Beteiligten.
- In 12 % der Fälle kam es danach zu einem Rückzieher – mit Imageschaden oder rechtlicher Auseinandersetzung.
- Die durchschnittliche Zeit bis zur Einstellung in Deutschland liegt bei 43 Tagen (Quelle: Statista, 2023). Spontanzusagen weichen davon massiv ab.
Eine neue Perspektive: Warum Transparenz langfristig stärker macht
Echte Wertschätzung entsteht nicht durch Schnellschüsse. Sie entsteht durch Transparenz, Vertrauen und Sorgfalt. Wer einem Kandidaten klar sagt, dass man noch Bedenkzeit braucht, zeigt: „Du bist mir wichtig genug, um mir wirklich sicher zu sein.“
In einer Zeit, in der Employer Branding immer wichtiger wird, ist es klüger, klare, ehrliche Kommunikation zu wählen, statt riskante Zusagen zu geben. Wer das beherzigt, spart sich nicht nur Stress, sondern baut Vertrauen auf – intern wie extern.
Was bleibt hängen?
Reflexion statt Reaktion. Klarheit statt Schnellschuss. Kommunikation statt Kompensation.
Nimm aus diesem Beitrag mit:
- Mündliche Jobzusagen können rechtlich bindend sein – also Vorsicht bei Formulierungen!
- Begeisterung ist wichtig – aber keine Entscheidungsgrundlage.
- Wer sich Zeit nimmt, trifft bessere Entscheidungen – und signalisiert Professionalität.
- Klare Sprache hilft, Missverständnisse zu vermeiden.
- Ein wertschätzender Ausblick ist oft mehr wert als eine vorschnelle Zusage.
Und was lernen wir daraus?
„Ein gutes Gefühl reicht nicht – es braucht auch einen klaren Kopf.“
Dieser Satz begleitet mich seither durch viele Gespräche. Denn so schön es ist, Menschen mit einer Zusage zu erfreuen – noch schöner ist es, ihnen ein Angebot zu machen, das ehrlich gemeint, rechtlich abgesichert und menschlich tragfähig ist.
Und das, liebe Unternehmer und Personalentscheider, ist nicht nur fair – sondern auch klug.