Natürlich müssen wir uns weiterentwickeln. Wenn wir immer nur auf das Altbewährte setzen, würden wir noch heute mit der Hand schreiben und hochkomplexe Rechnungen mit dem Abakus lösen. Aber bedeutet das, dass wir uns blind auf Künstliche Intelligenz (KI) verlassen sollten? Meiner Meinung nach nicht.
Ich selbst nutze KI, um meine Texte auf Rechtschreibung und Grammatik zu prüfen – das gibt mir Sicherheit und spart Zeit. Doch die Ideen für meine Beiträge, die Struktur und die Persönlichkeit dahinter? Die kommen immer noch aus meinem Kopf und durch meine Finger aufs Papier. Genau hier sehe ich den entscheidenden Punkt: KI ist ein Werkzeug, kein Ersatz.
KI im Recruiting: Wo Menschlichkeit entscheidend ist
Ein Bereich, in dem sich diese Diskussion besonders zuspitzt, ist das Recruiting. Hier sehen wir bereits erste Beispiele, wie Unternehmen komplett auf KI setzen – oft mit gemischten Ergebnissen. Fangen wir bei den Kollegen Headhuntern an: Viele generieren ihre Texte für die Erstansprache komplett mit KI und wundern sich über Responsequoten unter 10%.
Vor einiger Zeit sprach ich mit einem Kollegen, der genau das gemacht hatte. Ich erkannte sofort, dass seine Nachricht von einer KI geschrieben war: Die Wortwahl war unpersönlich, unnatürlich und überhaupt nicht authentisch für ihn. Das Ergebnis? Kaum Rückmeldungen. Im Vergleich dazu liege ich aktuell bei einer Responsequote von 35%, Tendenz steigend. Warum? Weil ich meine Texte selbst schreibe und dabei immer persönliche Elemente einfüge. Ein Beispiel: Bei weiblichen Kandidatinnen nutze ich geschlechtsbezogene Begriffe wie „Traumjobkauffrau“ oder „Zahlenfachwirtin“. Solche Details machen den Unterschied – sie signalisieren Wertschätzung und Aufmerksamkeit.
KI als Werkzeug: Stärken, die nicht übersehen werden sollten
Es gibt aber auch Beispiele, in denen KI ihre Stärken zeigt. Ein Freund von mir, der als Geschäftsführer tätig ist, nutzt KI, um seine täglichen E-Mails zu verfassen. Dies hat ihn nicht nur effizienter gemacht, sondern auch geholfen, Missverständnisse in der Kommunikation zu vermeiden. Dabei legt er allerdings immer den letzten Schliff selbst an. Genau hier zeigt sich, wie KI als Werkzeug dienen kann, um Prozesse zu vereinfachen und gleichzeitig menschliche Kontrolle und Kreativität zu bewahren.
Ein Praxisbeispiel: Mensch und Maschine im Einklang
Ein beeindruckendes Beispiel, wie KI und Mensch zusammenarbeiten können, erlebte ich mit einem Kunden, einem Hotel in der Nähe einer deutschen Autorennstrecke. Das Hotel suchte neue Köche und startete eine klassische Social-Media-Kampagne. Nach drei Wochen hatten wir sechs Bewerbungen – leider allesamt unpassend.
Also entschieden wir uns für einen neuen Ansatz. Der Kunde vertraute meinem Team und mir voll und ganz, also holten wir die KI ins Boot. Gemeinsam mit einem Grafikdesigner entwarfen wir ein einzigartiges Kampagnenbild – inspiriert von der Idee eines „Küchen-Boxenstopps“. Die KI lieferte uns dabei kreative Ansätze, aber die Umsetzung blieb in unseren Händen.
Zusätzlich passten wir die Fragen für das erste Kennenlernen an: Kandidaten sollten sich vorstellen, wie sie in einem Team arbeiten würden, das sich bei einem Rennen einem Boxenstopp widmet. Diese Verbindung von Kreativität und Technologie brachte durchschlagenden Erfolg: Nach nur zehn Tagen hatten wir elf passende Bewerbungen. Dieses Zusammenspiel zeigt, dass KI als Unterstützung große Vorteile bietet – aber den Menschen nicht ersetzen kann.
Pro: Die Vorteile von KI im Recruiting und darüber hinaus
Lassen wir uns die positiven Aspekte von KI nicht entgehen:
- Effizienzsteigerung: KI kann repetitive Aufgaben wie das Screening von Lebensläufen oder die Terminplanung automatisieren. Dies spart Zeit und Ressourcen.
- Datenbasierte Entscheidungen: KI kann große Datenmengen analysieren, um Trends zu erkennen oder Vorhersagen zu treffen, die fundierte Entscheidungen unterstützen.
- Zugänglichkeit: Mit KI-gestützten Chatbots können Bewerber rund um die Uhr Fragen stellen und Antworten erhalten.
- Kreativität: Durch die Nutzung von KI-Tools können neue Ideen entstehen, die das Team alleine vielleicht nicht entwickelt hätte.
Ein weiteres Beispiel aus meiner Praxis: Ein Kunde im Einzelhandel wollte gezielt jüngere Zielgruppen ansprechen. Mithilfe von KI-Analysen konnten wir herausfinden, welche Plattformen und Inhalte für diese Zielgruppe am besten geeignet waren. Die resultierende Kampagne brachte nicht nur mehr Bewerbungen, sondern auch eine höhere Qualität der Kandidaten.
Contra: Die Grenzen der Künstlichen Intelligenz
Doch wo Licht ist, gibt es auch Schatten:
- Mangel an Empathie: KI kann keine zwischenmenschlichen Feinheiten wahrnehmen oder empathisch reagieren. Dies ist insbesondere im Recruiting ein großes Manko.
- Unpersönlichkeit: Automatisierte Texte können distanziert wirken und Kandidaten abschrecken.
- Fehlerhafte Algorithmen: Eine KI ist nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert wurde. Bias oder falsche Daten können zu Fehlentscheidungen führen.
- Jobverlust: Der zunehmende Einsatz von KI führt in einigen Branchen dazu, dass Arbeitsplätze wegfallen – oft auch solche, die durch Menschlichkeit und Erfahrung punkten.
Ein Beispiel dafür, wie KI schiefgehen kann: Ein Unternehmen setzte eine KI ein, um Bewerbungen zu filtern. Dabei stellte sich heraus, dass der Algorithmus weibliche Bewerber systematisch benachteiligte, da die zugrundeliegenden Daten männlich dominierte Karrieren bevorzugten. Dieses Problem wurde erst erkannt, als die Diversitätsziele des Unternehmens nicht erreicht wurden.
Die Zukunft: Symbiose statt Abhängigkeit
KI kann zweifellos ein wertvolles Werkzeug sein, das unsere Arbeit erleichtert und bereichert. Doch der Schlüssel liegt in der Balance. Setzen wir sie gezielt ein, können wir unglaubliche Ergebnisse erzielen, wie das Beispiel des „Küchen-Boxenstopps“ zeigt. Verlassen wir uns jedoch zu 100% auf sie, droht der Verlust von Menschlichkeit, Kreativität und Authentizität – Eigenschaften, die gerade im Recruiting unverzichtbar sind.
Ein weiteres Beispiel: Ein niederländischer Partner erzählte mir von einem Tool, das automatisierte Bewerbungsgespräche durchführt. Hier stellte sich die Frage: Wie würde sich ein Kandidat fühlen, wenn er nur mit einer Maschine spricht? Würde er sich ernst genommen fühlen? Vermutlich nicht. Und genau hier zeigt sich der Unterschied zwischen Effizienz und menschlichem Kontakt.
Letztlich bleibt es jedem selbst überlassen, wie sehr er oder sie auf KI setzt. Doch die Frage, die wir uns stellen sollten, lautet: Wollen wir als sympathische, authentische Ansprechpartner wahrgenommen werden – oder unsere Individualität aufgeben und uns hinter einer Maschine verstecken? Die Antwort dürfte klar sein.