Stellenanzeige versus Social-Media-Kampagne: Was Arbeitgeber wissen müssen


Wie sich rechtssichere Kommunikation im Recruiting verändert – und was du auf keinen Fall übersehen darfst

Die Suche nach neuen Mitarbeitenden beginnt heute meist digital. Doch während viele Unternehmen glauben, sie müssten nur eine „moderne“ Anzeige auf Instagram posten oder die klassische Stellenanzeige auf ein Jobportal laden, geraten sie oft ungewollt in rechtliche Grauzonen – und riskieren Strafen, Imageschäden und Recruiting-Flops. In diesem Beitrag zeige ich dir anhand von praktischen Beispielen, was bei der Formulierung von Stellenanzeigen zu beachten ist, wo sich Kampagnen in sozialen Netzwerken unterscheiden, und wie die Lage im Vergleich zu Österreich aussieht. Natürlich mit Gesetzestexten, Urteilen und meinen Erfahrungen aus dem Recruiting-Alltag.

1. Die Stellenanzeige: mehr als nur ein Textfeld mit Anforderungen

Eine Stellenanzeige ist kein Marketingtext – sondern rechtlich ein Angebot an die Allgemeinheit. Und genau das ist der springende Punkt: Wer hier diskriminiert, irreführend formuliert oder falsche Angaben macht, kann haftbar gemacht werden. Besonders das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sorgt dafür, dass Unternehmer achtsam sein sollten.

Was das AGG vorschreibt

Nach § 1 AGG ist jede Diskriminierung aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität unzulässig. Das betrifft explizit auch Stellenanzeigen (§ 11 AGG).

Beispiel aus der Praxis:

Ein Berliner Handwerksbetrieb suchte per Anzeige „junge, dynamische Männer für den Außendienst“. Die Folge: Eine abgelehnte weibliche Bewerberin klagte – und gewann. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sprach ihr 2.500 € Entschädigung zu (Urteil vom 23.10.2007, Az. 10 Sa 1310/07).

Was heißt das für dich konkret?

  • Vermeide Formulierungen wie „jung“, „deutschsprachig auf Muttersprachenniveau“, „Student/in“ (außer, es gibt dafür eine sachliche Rechtfertigung).
  • Verwende geschlechtsneutrale Bezeichnungen (m/w/d).
  • Beschreibe Tätigkeiten und Anforderungen möglichst objektiv.

2. Soziale Netzwerke: Werbung oder Stellenanzeige?

Viele Unternehmen setzen heute auf Instagram, Facebook oder LinkedIn, um Kandidat:innen direkt anzusprechen. Doch auch hier gilt: Sobald du eine konkrete Position bewirbst, handelt es sich rechtlich gesehen um eine Stellenanzeige – mit allen Konsequenzen.

Der rechtliche Knackpunkt

Wenn du auf Instagram ein „Jetzt bewerben für unser Sales-Team in Hamburg“ postest, bewegst du dich im Bereich einer öffentlichen Ausschreibung. Damit greifen auch hier AGG, TMG (Telemediengesetz) und teilweise die DSGVO – je nach Art der Datenverarbeitung.

Praxisbeispiel:

Ein mittelständischer IT-Dienstleister warb auf Facebook gezielt mit „jungen, technikaffinen Männern“ – weil die Kampagne auf Insights beruhte, die überwiegend junge Männer als Zielgruppe identifizierten. Nach einer Beschwerde bei der Antidiskriminierungsstelle folgte eine Abmahnung und eine öffentliche Rüge – verbunden mit einem Shitstorm, der mehr kostete als jede Entschädigungszahlung.

3. Der große Unterschied: Plattform, Ton und Ziel

Vergleich: Stellenanzeige vs. Social-Media-Kampagne

KriteriumKlassische StellenanzeigeSocial-Media-Kampagne
PlattformJobportale, KarriereseitenInstagram, Facebook, TikTok, LinkedIn
Tonalitätsachlich, informierendemotional, aufmerksamkeitsstark
Zielgruppeaktiv Jobsuchendelatent wechselwillige Personen
RechtsrahmenAGG, TMG, ArbZGAGG, DSGVO, TMG, UWG
Nachweispflichtenhoch (z. B. Dokumentationspflichten)mittel, je nach Gestaltung und Ziel
Rückverfolgbarkeithoch (in Bewerbungsprozessen)gering, da Bewerbung oft indirekt erfolgt
Beweislast bei Verstoßliegt beim Unternehmen (§ 22 AGG)liegt beim Unternehmen

Das größte Risiko bei Social Media:

Durch die informelle Sprache und gezielte Zielgruppenansprache (Targeting) kommt es schnell zu indirekter Diskriminierung. Und: Oft wird vergessen, Impressumspflichten und Datenschutzrichtlinien einzuhalten – auch das kann abgemahnt werden.

4. Österreich im Vergleich: nicht alles, aber vieles anders

Auch in Österreich gelten Antidiskriminierungsvorschriften – hier greift das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG). Die Regelungen ähneln in vielen Punkten dem deutschen AGG, gehen in manchen Bereichen jedoch weiter.

Besonderheiten in Österreich:

  • Schon der Versuch einer Diskriminierung kann ausreichen (§ 26 GlBG).
  • Es gibt eine Verpflichtung zur Angabe des kollektivvertraglichen Mindestgehalts in jeder Stellenanzeige.
  • Verstöße können zur Anzeige bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft führen.

Fallbeispiel:

Ein österreichisches Architekturbüro inserierte „wir suchen eine junge Architektin für unser dynamisches Frauenteam“ – und kassierte eine Anzeige. Ergebnis: 3.000 € Entschädigung und die Auflage, künftig alle Stellen geschlechtsneutral zu bewerben.

Ländervergleich zusammengefasst:

ThemaDeutschlandÖsterreich
DiskriminierungAGGGlBG
Gehaltsangabe PflichtNein, außer bei TarifbindungJa, gesetzlich vorgeschrieben
SanktionenEntschädigung, BußgelderEntschädigung, Anzeige, öffentliche Rüge
KontrollinstanzenAGG-Stellen, GerichteGleichbehandlungsanwaltschaft
Formulierungspflichtenm/w/dm/w/d, inkl. Gehaltsangabe

5. Typische Fehler – und wie du sie vermeidest

Häufige Fehler:

  • Kein Hinweis auf Diversität („Wir begrüßen Bewerbungen aller Geschlechter“ fehlt).
  • Altersdiskriminierung durch Begrifflichkeiten („junges Team sucht…“).
  • Unklare Anforderungen („hohe Belastbarkeit“, „teamfähig“ – ohne messbare Kriterien).
  • Gezieltes Targeting nach Alter oder Geschlecht in Kampagnen.

Checkliste für eine rechtssichere Stellenanzeige:

  • Geschlechtsneutral formuliert? (m/w/d)
  • Keine Altersangaben oder indirekte Diskriminierung?
  • Tätigkeiten konkret beschrieben?
  • Gehaltsangabe gemacht (besonders bei AT)?
  • Diversität aktiv betont?
  • Impressum und Datenschutz bei Social Media beachtet?
  • Nachweise und Begründungen dokumentiert?

6. Was passiert, wenn du gegen das Gesetz verstößt?

Verstöße gegen das AGG oder GlBG können empfindliche Konsequenzen haben – und zwar unabhängig davon, ob die Anzeige auf einem Jobportal oder auf TikTok erscheint.

Mögliche Folgen:

  • Entschädigungsansprüche (nach § 15 AGG: bis zu drei Monatsgehälter).
  • Öffentliche Abmahnungen durch die Antidiskriminierungsstelle.
  • Shitstorms durch Social Media – mit kaum kontrollierbarer Reichweite.
  • Strafen wegen fehlender Pflichtangaben (z. B. Impressum oder Gehaltsangabe in Österreich).

7. Erfahrungswerte aus der Praxis

Ein Mandant von mir, ein erfolgreicher Mittelständler mit 120 Mitarbeitenden, postete auf LinkedIn eine Anzeige für eine Assistenzstelle mit dem Hinweis: „für junge Kolleg:innen mit Energie“. Zwei Bewerbungen wurden abgelehnt – und die dritte, eine 49-jährige, ging vor Gericht. Ergebnis: 5.000 € Entschädigung und ein internes Umdenken, wie inklusiv Recruiting wirklich sein sollte.

Ein anderer Fall: Ein Startup nutzte Instagram-Storys zur Bewerbung offener Stellen. Leider ohne Link zum Impressum und ohne klaren Hinweis, dass es sich um eine Stellenausschreibung handelt. Nach einer Anzeige durch einen Mitbewerber folgte eine teure Abmahnung nach dem UWG.

Perspektivwechsel: Warum es sich lohnt, rechtssicher UND kreativ zu sein

Rechtssicherheit und kreative Ansprache schließen sich nicht aus. Wer klar kommuniziert, Werte lebt und Offenheit zeigt, gewinnt nicht nur Talente – sondern auch Vertrauen. Die besten Stellenanzeigen sind nicht nur rechtlich sauber, sondern emotional ansprechend, konkret formuliert und zielgerichtet.

Stell dir vor, dein Recruiting-Text ist wie ein Einladungsschreiben: höflich, klar und wertschätzend. Und du achtest darauf, dass wirklich jede:r eingeladen ist.

Was du für dein Unternehmen mitnehmen kannst

  • Achte bei jeder Veröffentlichung – ob auf Jobportalen oder Social Media – auf die AGG- bzw. GlBG-Vorgaben.
  • Zielgruppenansprache ja, aber niemals auf Kosten von Vielfalt.
  • Mach deine Werte sichtbar – ohne zu diskriminieren.
  • Und: Hol dir im Zweifel rechtlichen Beistand – nicht erst, wenn’s zu spät ist.

Schlusswort: Verantwortung beginnt mit der Formulierung

Eine Stellenanzeige ist der erste Kontakt zu einem Menschen, der Teil deines Unternehmens werden könnte. Ob dieser Kontakt wertschätzend, offen und inklusiv ist, liegt ganz bei dir.

Ich bin kein Rechtsanwalt – und dieser Beitrag ersetzt keine juristische Beratung. Die Inhalte basieren auf meiner Erfahrung und meinen Kenntnissen im Recruiting-Alltag. Wenn du konkrete Fragen hast oder dich ein Fall im Unternehmen beschäftigt, solltest du dich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wenden. Besonders bei internationalen Kampagnen oder grenzüberschreitendem Recruiting lohnt sich rechtliche Unterstützung doppelt.