Weiterbildung und Schulungen – Rechte und Pflichten der Arbeitgeber bezüglich Fortbildungsmaßnahmen


Stell dir vor: Du hast eine talentierte Mitarbeiterin, nennen wir sie Nina, die großes Potenzial zeigt – engagiert, wissbegierig, teamfähig. Sie würde gerne eine Zusatzqualifikation machen, die auch deinem Unternehmen langfristig zugutekommt. Aber wer zahlt? Muss sie Urlaub nehmen? Und was, wenn sie nach der Fortbildung kündigt? Willkommen im komplexen Feld der Weiterbildung im Arbeitsverhältnis.

Genau darum geht’s in diesem Blogartikel: Welche Rechte und Pflichten haben Arbeitgeber bei Fortbildungsmaßnahmen? Was ist freiwillig, was verpflichtend? Und wie schützt du dich als Unternehmer oder Personalverantwortlicher vor unnötigen Risiken?

Warum Weiterbildung heute Chefsache ist

Gerade in Zeiten von Digitalisierung, Fachkräftemangel und sich ständig wandelnden Anforderungen ist lebenslanges Lernen nicht mehr nur eine schöne Kür, sondern Pflichtprogramm.

Doch Weiterbildung ist mehr als nur ein netter Bonus für Mitarbeitende. Sie ist ein echter Wettbewerbsfaktor. Unternehmen, die ihre Leute weiterentwickeln, sind nachweislich innovativer, resilienter – und übrigens auch attraktiver auf dem Arbeitsmarkt.

Aber: Weiterbildung ist auch ein Invest. Zeit, Geld und Ressourcen fließen hinein. Deshalb ist es wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen genau zu kennen.

Gesetzliche Grundlagen – was steht im Arbeitsrecht?

Es gibt kein einzelnes Gesetz, das die Weiterbildung im Arbeitsverhältnis abschließend regelt. Vielmehr ergibt sich das Ganze aus verschiedenen gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und individuellen Arbeitsverträgen. Hier ein Überblick über die wichtigsten Regelungen:

1. § 611a BGB – Dienstverhältnis

Dieser Paragraph bildet die Grundlage des Arbeitsverhältnisses. Weiterbildung kann eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht sein, wenn sie zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich ist.

Beispiel: Ein Maschinenbediener muss aufgrund neuer Technik auf ein neues System geschult werden – das fällt in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers.

2. § 106 GewO – Weisungsrecht des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber darf Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen – inkl. Schulungen, die betriebsnotwendig sind. Allerdings muss dies im Rahmen des Zumutbaren liegen.

3. §§ 96–98 BetrVG – Mitbestimmung bei Bildungsmaßnahmen

Ist ein Betriebsrat vorhanden, hat dieser ein Mitbestimmungsrecht bei betrieblichen Bildungsmaßnahmen. Der Arbeitgeber kann nicht einfach Schulungen anordnen, ohne den Betriebsrat einzubeziehen.

4. Bildungsurlaubsgesetze der Länder

In 14 von 16 Bundesländern gibt es einen rechtlichen Anspruch auf Bildungsurlaub, meist fünf Tage pro Jahr. Dieser Anspruch besteht unabhängig von der Zustimmung des Arbeitgebers, sofern die Weiterbildung bestimmten Voraussetzungen entspricht.

Pflichtfortbildung vs. freiwillige Weiterbildung – der entscheidende Unterschied

Hier lohnt sich eine klare Unterscheidung:

Pflichtfortbildungen

Wenn eine Weiterbildung erforderlich ist, damit Mitarbeitende ihre vertraglich geschuldete Tätigkeit weiterhin ausüben können, trägt der Arbeitgeber die Kosten und muss die Arbeitszeit dafür bezahlen.

Beispiele:

  • Gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsschulungen
  • Updateschulungen für Software, die für die Arbeit unerlässlich ist
  • Schulungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben (z. B. für Datenschutzbeauftragte)

Freiwillige Weiterbildungen

Hier geht’s um Maßnahmen, die nicht zwingend erforderlich, aber nützlich oder karriereförderlich sind. Der Arbeitgeber kann sie anbieten, muss es aber nicht. Die Finanzierung ist dann Verhandlungssache.

Beispiele:

  • Sprachkurse
  • Führungskräftetrainings
  • Weiterbildungen, die den Wechsel in andere Positionen ermöglichen

Wer zahlt eigentlich?

Das ist oft der Knackpunkt. Grundsätzlich gilt:

  • Pflichtfortbildungen muss der Arbeitgeber zahlen – inklusive Arbeitszeitvergütung.
  • Freiwillige Weiterbildungen sind Verhandlungssache. Es kann eine komplette Übernahme durch den Arbeitgeber geben, eine Teilung der Kosten oder die Verpflichtung der Mitarbeitenden zur Eigenfinanzierung.

Aber Achtung: Eine teilweise Finanzierung durch den Arbeitnehmer kann das Risiko bergen, dass der Weiterbildungsnutzen später bei einem Jobwechsel zu einem Konkurrenzvorteil wird – auf Kosten des alten Arbeitgebers.

Fallbeispiel aus der Praxis

Fall 1 – Die Software-Umstellung

Ein mittelständisches Unternehmen stellt auf ein neues ERP-System um. Alle Mitarbeitenden müssen geschult werden. Die Schulungen finden werktags statt.

Ergebnis: Pflichtfortbildung. Arbeitgeber trägt sämtliche Kosten und rechnet die Schulungszeit als Arbeitszeit ab.

Fall 2 – Der Sprachkurs für die Karriere

Eine Marketingmitarbeiterin möchte einen Business-English-Kurs besuchen, um sich auf internationale Aufgaben vorzubereiten. Der Arbeitgeber zahlt 50 % der Kosten, der Kurs findet abends statt.

Ergebnis: Freiwillige Weiterbildung. Eine Förderung durch den Arbeitgeber ist nett, aber nicht verpflichtend.

Schulung während der Arbeitszeit oder in der Freizeit?

Auch hier gilt: Wenn der Arbeitgeber die Schulung veranlasst oder sie notwendig ist, dann zählt sie zur Arbeitszeit. Das ist besonders wichtig bei Überstundenregelungen oder Teilzeitkräften.

Urteil BAG vom 29.04.2004 – 6 AZR 160/03: Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass Schulungen, die auf Weisung des Arbeitgebers erfolgen, Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes sind.

Weiterbildung und Kündigung – was passiert mit den Kosten?

Ein Klassiker: Der Arbeitgeber finanziert eine teure Fortbildung, doch kurz danach kündigt die Fachkraft. Dumm gelaufen? Nicht unbedingt.

Fortbildungsvereinbarungen mit Rückzahlungsklauseln

Du kannst mit Mitarbeitenden schriftliche Vereinbarungen treffen, die eine anteilige Rückzahlungspflicht bei Eigenkündigung vor Ablauf einer bestimmten Frist vorsehen.

Aber Vorsicht: Solche Rückzahlungsklauseln müssen rechtssicher formuliert sein, sonst sind sie unwirksam.

Urteil BAG vom 01.03.2022 – 9 AZR 260/21: Das BAG erklärte eine Rückzahlungsklausel für unwirksam, weil sie nicht ausreichend transparent war und die Verhältnismäßigkeit nicht beachtete.

Empfehlung: Lass solche Vereinbarungen immer juristisch prüfen.

Weiterbildungspflicht im Wandel – was kommt auf Arbeitgeber zu?

Durch Fachkräftemangel, Transformation und Digitalisierung wird Weiterbildung zunehmend zur betrieblichen Notwendigkeit. In manchen Branchen wird bereits diskutiert, ob es künftig einen gesetzlichen Weiterbildungsanspruch geben soll – ähnlich wie beim Bildungsurlaub.

Auch Förderprogramme wie Qualifizierungschancengesetz und WeGebAU (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer) rücken stärker in den Fokus. Hier kannst du als Arbeitgeber staatliche Zuschüsse für Weiterbildungskosten und Arbeitsausfall erhalten.

5 praktische Tipps für Arbeitgeber und Personalverantwortliche

  1. Dokumentiere klar, ob eine Schulung Pflicht oder freiwillig ist.
  2. Arbeite mit rechtssicheren Fortbildungsvereinbarungen.
  3. Beziehe den Betriebsrat frühzeitig mit ein.
  4. Nutze Förderprogramme und halte Rücksprachen mit der Agentur für Arbeit.
  5. Kommuniziere Weiterbildung als Teil der Arbeitgebermarke – das stärkt die Bindung.

Ausblick statt Fazit – Weiterbildung ist mehr als ein Benefit

Wenn du Weiterbildung strategisch begreifst, baust du nicht nur Fachwissen auf, sondern auch Vertrauen. Deine Mitarbeitenden merken, dass du in sie investierst – und bleiben länger. Gleichzeitig schützt du dein Unternehmen vor Fachkräftelücken und technologischen Rückständen.

Natürlich braucht es dafür klare Regeln, rechtssichere Vereinbarungen und auch den Mut, Weiterbildung nicht als Kostenstelle, sondern als Zukunftsinvestition zu sehen.

Rechtlicher Hinweis

Ich bin kein Rechtsanwalt, sondern gebe hier lediglich mein Wissen, meine Erfahrung und meine Einschätzung aus der Praxis weiter. Dieser Artikel ersetzt keine rechtliche Beratung. Für individuelle Einzelfälle solltest du dich unbedingt mit deinem Fachanwalt für Arbeitsrecht oder deiner Rechtsabteilung abstimmen.