„Früher war alles besser!“ – diesen Spruch höre ich wirklich ständig. Gerade von Leuten, die schon ein paar Jahre mehr Berufserfahrung haben als ich. Du wahrscheinlich auch, oder? Es ist dieser Satz, der sich anfühlt wie ein Kaugummi am Schuh: nervig, hartnäckig, irgendwie immer da. Und trotzdem kommen wir nicht drumherum, weil er etwas berührt, das uns alle beschäftigt: Veränderung. Recruiting hat sich in den letzten Jahren massiv verändert, und es wird sich weiter verändern – ob wir wollen oder nicht. Aber war früher wirklich alles besser? Lass uns gemeinsam in den Rückspiegel schauen und festhalten, was wir daraus lernen können.
Vom Marktplatz bis zur digitalen Jobbörse: Ein kleiner Rückblick
Stell dir vor, wir reisen ein paar Jahrhunderte zurück. Mittelalter. Ritter, Burgfräuleins, der Duft von Mett in der Luft. Wenn ein Schmied einen neuen Lehrling suchte, hat er einfach einen Zettel an den Marktplatz genagelt: „Suche Handwerksgesellen. Gute Laune mitbringen.“ Und dann? Kam halt jemand vorbei, hat ein bisschen zugeschaut, vielleicht eine Stunde mitgearbeitet – und zack, war er eingestellt. Das war Recruiting. Klar, romantisch verklärt klingt das irgendwie charmant. Aber hey, damals lag die Lebenserwartung bei 35 Jahren, Mittagspause war ein Krug Wasser und ein Stück Brot. Das will heute keiner mehr.
Ein paar Jahrhunderte später: Die Zeitung wurde erfunden. Auf einmal konnten Unternehmen ihre Stellenanzeigen in der Tageszeitung schalten. Riesengroße Anzeigen, teuer wie Sau, und wenn du Pech hattest, war deine Anzeige schon am nächsten Tag von der Altpapiertonne verschluckt. Ich weiß noch, wie ich meine ersten Recruiting-Erfahrungen gemacht habe: Da hast du bei Monster oder StepStone eine Anzeige gebucht und dachtest, du bist der König der Welt. Heute? Gibt’s über 1000 Jobbörsen, gefühlt eine für jeden Stadtteil. Wo sollst du da noch wissen, wo du deine Anzeige schalten musst?
Und dann kam Social Media. Irgendwann ploppte die erste Anzeige auf Facebook auf, und alle dachten: „Wow, jetzt geht’s los!“ Endlich konnte man Menschen da erreichen, wo sie eh jeden Tag unterwegs sind. Aber auch da: Irgendwann macht’s jeder, und die Qualität sinkt. Heute scrolle ich durch Instagram und frage mich ernsthaft, ob ich auf einer Jobbörse gelandet bin oder noch in meinem Freundeskreis.
Aus meinem direkten Umfeld: Der PTA-Aushang an der Apotheke
Hier kommt meine erste Anekdote, die zeigt, wie absurd Recruiting manchmal ist: Ich gehe jeden Tag an einer Apotheke vorbei, die schon seit zwei Jahren einen Stopper an der Hauswand in 3,5 Meter Höhe angebracht hat. Auf dem Schild steht: „PTA gesucht.“ Und ich denke mir jedes Mal: Wer zur Hölle soll das lesen? Da bräuchte es einen LKW-Fahrer mit Kran, der den Blick von oben auf die Straße wirft. Dabei wäre es doch so einfach: Mit einer cleveren Displaywerbung direkt vor der Apotheke könnten sie genau die PTA erreichen, die in der Nachbarschaft wohnen – also die Leute, die eh jeden Tag vorbeigehen. Wenn die dann noch über einen QR-Code direkt auf eine einfache Landingpage geleitet werden, wo sie sich ohne Lebenslauf, ohne Schnickschnack, einfach mit zwei Klicks melden können – zack, hätten sie ihren neuen Mitarbeiter. Das ist Recruiting 2025. Nicht KI, nicht fancy Algorithmen – sondern Menschlichkeit, Zielgruppenverständnis und ein bisschen gesunder Menschenverstand.
Das ist mir auch schon mal passiert: Der Bewerber in der U-Bahn
Oder stell dir die nächste Situation vor: Ein Bewerber sitzt in Berlin in der U-Bahn, fährt vom Alexanderplatz zur Eberswalder Straße. Fünf, sechs Minuten Fahrtzeit. In der Zeit scrollt er durch Instagram, sieht vielleicht deine Anzeige – klickt drauf, landet auf einer Landingpage mit 20 Screens und einer halben Lebensgeschichte deines Unternehmens. Glaubst du wirklich, der bleibt da dran? Nein, der sperrt sein Handy, steht auf und steigt aus. Chance vertan. Deshalb: Denk an den Kontext! Mach’s den Kandidaten so einfach wie möglich. Kurze Texte, klare Botschaften, ein schneller Bewerbungsprozess, der auch auf dem Handy funktioniert.
So etwas erfährt man im Interview: Der ITler mit dem kaputten Bildschirm
Ich hatte mal einen Kandidaten, einen super ITler, der mir erzählte, dass er eine Anzeige gesehen hat – aber auf seinem Bildschirm war ein Pixel-Fehler. Ausgerechnet über dem Bewerbungsbutton! Er hat’s dann einfach gelassen. Kleiner Bug, große Wirkung. Das zeigt, wie sehr jedes Detail zählt. Wenn du also deine Kampagnen baust, schau sie dir bitte auch mal auf dem Handy an, auf einem alten Laptop, mit schlechtem WLAN. Wenn du da hängst, hängst du auch bei deinen Kandidaten.
Aus meiner Praxis: Das Bewerbungsformular mit 45 Feldern
Noch ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung: Ich habe mal für einen Kunden eine Recruiting-Kampagne überprüft. Alles sah gut aus – bis ich auf das Bewerbungsformular kam. 45 Felder! Von der Schuhgröße bis zur Lieblingsfarbe war alles dabei. Kein Wunder, dass die Bewerbungen ausblieben. Ich sag’s, wie es ist: Weniger ist mehr. Frag, was du wirklich wissen musst, den Rest klärst du später. Kandidaten haben keine Zeit und keinen Bock, sich durch eine digitale Steuererklärung zu klicken.
Die Zukunft des Recruitings – und was wir daraus lernen können
Wenn wir uns die Entwicklung anschauen, dann wird klar: Früher war nicht alles besser – es war einfach anders. Heute haben wir viel mehr Möglichkeiten, Menschen zu erreichen. Aber genau das ist auch die Herausforderung. Wir müssen lernen, diese Möglichkeiten sinnvoll zu nutzen, statt blind auf Trends zu setzen.
Ich persönlich glaube nicht, dass KI die Lösung aller Recruiting-Probleme ist. Recruiting bleibt ein zutiefst menschliches Thema. Es geht um Vertrauen, um Emotionen, um das richtige Bauchgefühl. Kein Algorithmus der Welt kann dir sagen, ob jemand wirklich ins Team passt. Klar, KI kann dir helfen, Lebensläufe zu scannen oder Daten zu sortieren. Aber die Entscheidung – die triffst immer noch du als Mensch. Und das ist auch gut so.
Vor- und Nachteile der aktuellen Recruiting-Methoden
Hier mal eine Übersicht, was aktuelle Methoden bringen – und was sie eher nicht leisten:
Vorteile:
- Große Reichweite über Social Media
- Möglichkeit, gezielt Zielgruppen anzusprechen
- Direkte Ansprache potenzieller Kandidaten
- Schnelle Anpassung von Inhalten und Kampagnen
- Kostengünstige Möglichkeiten wie Displaywerbung oder gezielte Posts
Nachteile:
- Reizüberflutung bei den Kandidaten
- Wenig Aufmerksamkeitsspanne (U-Bahn-Szenario)
- Falsches Targeting (falsche Zielgruppe)
- Lange Bewerbungsprozesse, die Kandidaten frustrieren
- Hohe Abhängigkeit von Plattformen (z. B. Meta, LinkedIn)
- Wenig Differenzierung, alle machen das Gleiche
Checkliste für besseres Recruiting in der Zukunft
✅ Zielgruppen-Persona erstellen (Alter, Interessen, Lebenssituation)
✅ Bewerbungsprozess auf mobile Endgeräte optimieren
✅ Maximal 5 Fragen im ersten Kontakt
✅ Landingpages kurz, prägnant, mit Call-to-Action
✅ QR-Codes und Displaywerbung im direkten Umfeld nutzen
✅ Regelmäßige Überprüfung der Kampagnen (auf Fehler, auf Targeting)
✅ Mutig neue Wege gehen (z. B. Guerilla-Aktionen, Events)
✅ Schnelligkeit: Rückmeldungen innerhalb von 48 Stunden
✅ Authentische Bildsprache (gerne mal mit dem Handy durch das Unternehmen gehen und Bilder machen)
✅ Kandidaten den Einstieg so leicht wie möglich machen (kein Lebenslauf-Upload als Pflicht)
Neue Denkanstöße: Wie geht es weiter?
Vielleicht müssen wir Recruiting wieder ein Stück weit entstauben. Zurück zum Kern: Menschen finden Menschen. Ein Beispiel: Die PTA-Anzeige an der Apotheke – was wäre, wenn man diese Idee mit einem kleinen Monitor direkt am Schaufenster weiterdenkt? Laufkundschaft erreicht, QR-Code gescannt, Kontakt hergestellt. Oder: Die Idee, nicht nur auf Plattformen zu setzen, sondern dahin zu gehen, wo die Menschen sind – auf Messen, Events, in Cafés, bei Sportveranstaltungen.
Recruiting bedeutet, sich in den Alltag der Menschen zu denken. Nicht zu warten, dass sie kommen, sondern aktiv zu werden – mit einfachen Mitteln. Der Aushang im Mittelalter war ein Plakat. Heute ist es vielleicht ein digitaler Bildschirm an der Hauswand. Die Grundidee bleibt.
Zusammengefasst:
Recruiting wird sich immer verändern, aber der Kern bleibt: Menschen zu verstehen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und ihnen den Weg zu uns so einfach wie möglich zu machen.