Auszubildende oder Auszubeutende?


Manchmal frage ich mich, ob der Begriff „Ausbildung“ in manchen Unternehmen eher aus „aus“ und „Bildung“ besteht – weil beides nach ein paar Wochen für den Azubi vorbei ist. Aber fangen wir von vorne an.

Ich bin offiziell von der IHK als Ausbilder im Bereich Personaldienstleistung zugelassen. Klingt fancy, oder? Bedeutet aber vor allem eins: Ich sehe das Thema Ausbildung mit ganz anderen Augen. Und was ich sehe, ist oft nicht schön. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass viele Unternehmen ihren eigenen Fachkräftemangel hausgemacht haben. Azubi-Stellen sind oft so attraktiv wie eine Steuererklärung – und getan wird wenig, um das zu ändern.

Umso erfreulicher war mein Gespräch mit dem Ausbildungsverantwortlichen der IHK in Köln. Endlich mal jemand, der auf meiner Wellenlänge funkt! Wir waren uns einig: Ein Azubi sollte die Chance bekommen, in seinem Tempo viel und vor allem das zu lernen, was er oder sie nicht nur für den Job, sondern auch fürs Leben braucht. Doch leider scheinen das viele Betriebe anders zu sehen. Da herrscht noch immer der Irrglaube, dass Azubis günstige Arbeitskräfte sind, die man je nach Personalengpass einfach irgendwohin schiebt – wie ein Notnagel, der nebenbei auch noch den Kaffee kochen darf.

Mein persönliches Highlight? In der Wirtschaftskrise 2010 arbeitete ich in einem Unternehmen, das sich dachte: „Reinigungsfirma? Zu teuer! Azubis? Perfekt!“ Die Lösung: Einmal pro Woche mussten die Azubis das gesamte Büro inklusive Toiletten putzen. Zur Erinnerung: Diese Azubis lernten IT-Systemkaufleute und ähnliche Berufe. IT? Ja! Klo putzen? Äh, nein! Schon damals war ich ein Verfechter des Verursacherprinzips: Wer Dreck macht, macht ihn auch wieder weg. Also habe ich meinen Schreibtisch und Mülleimer schön selbst sauber gehalten – aber ein Putzplan für IT-Azubis? Come on!

Neulich habe ich dann einen kununu-Eintrag gesehen, der von einem Arbeitgeber kommentiert wurde – und da blieb mir fast der Kaffee im Hals stecken. Der Arbeitgeber beschwerte sich doch allen Ernstes darüber, dass ein Azubi im zweiten Monat „noch nicht produktiv“ war und die „geforderte Leistung“ nicht erbracht hat. Und das Beste? Dieser Azubi war zu dem Zeitpunkt gerade mal in der fünften Woche im Unternehmen! Kurz darauf wurde er gekündigt. Ja klar, weil jeder neue Azubi natürlich direkt am ersten Tag die Firma umkrempeln und sämtliche Probleme lösen kann… Ironie off.

Natürlich ist ein Ausbildungsplatz erst mal ein Invest. Nicht nur finanziell, sondern auch in Sachen Zeit. Man muss Azubis anleiten, unterstützen und manchmal auch den ein oder anderen Motivationsschub geben. Aber weißt du was? Es lohnt sich! Ein gut betreuter Azubi wird schneller selbstständig arbeiten, dir Aufgaben abnehmen und mit der Zeit ein echter Gewinn für dein Unternehmen sein.

Und wenn die Ausbildung vorbei ist? Dann hast du einen Mitarbeiter, der nicht nur das Unternehmen in- und auswendig kennt, sondern auch deine Kunden und Prozesse. Jemand, der mit vollem Herzen dabei ist, weil er oder sie nicht nur ausgebildet, sondern auch wertgeschätzt wurde. Also, liebe Unternehmer: Entscheidet euch – wollt ihr Auszubildende oder doch lieber weiter an eurem Fachkräftemangel basteln?


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